Ganzheitlicher Tanz: Die Ballettmutter vom Dorf

Für Annette Schulz gehören bildende Kunst und Soziales zusammen. Ihre renommierte Ballettschuhe gibt es seit 20 Jahren.

Niederrhein. Auf die Zehen, hoch die Arme, halbe Drehung: Leicht und elegant sieht es aus, wenn Annette Schulz ihren Schülern Ballettfiguren vortanzt. Dabei ist sie über das Alter jugendlicher Geschmeidigkeit längst hinaus, hat nicht mehr die Idealfigur professioneller Tänzer, wirkt eher gemütlich-rundlich statt athletisch hager. "Ich trete ja nicht als Tänzerin auf, ich bin Lehrerin", meint sie lächelnd.

Als Lehrerin und Choreografin hat sie einen so guten Ruf, dass zum 20-jährigen Bestehen ihrer Ballettschule in Viersen-Boisheim jetzt viele ehemalige Schüler von weither, sogar aus Australien, anreisten.

"Kopflos" heißt eins der außergewöhnlichsten Tanzwerke von Annette Schulz: Verhüllte Tänzerinnen setzten 2009 Arbeiten des Künstlers Mark Kramer szenisch zur Musik der Harfenistin Ulla van Daelen um, zuerst in der Nettetaler Galerie Petra Nostheide-Eycke, dann bei der Kunstmesse Art Amsterdam vor der niederländischen Königin Beatrix - mit großem Medienecho.

Tanz und Ausstellung - für Annette Schulz passt das wunderbar zusammen, vom "ganzheitlichen Tanz" spricht sie: "Ich sehe Tanz als Teil der Kunst insgesamt, zusammen mit Musik, Literatur oder Malerei."

Jungen Menschen und ihren Familien möchte sie den Zugang zur bildenden Kunst erschließen: "Durchs Ballett kommen manche mit der Welt der Kunst in Berührung, zu der sie vorher keinen Zugang hatten." Ihre Idee vom ganzheitlichen Tanz setzt Annette Schulz konsequent um. Ihre Gruppen tanzen auch in Gottesdiensten, arbeiten gelegentlich mit renommierten Ensembles zusammen, so mit dem St. Petersburger Staatsballett und dem Theater Krefeld/Mönchengladbach.

Manche ihrer Schüler sind Profis geworden; die Viersener Tänzerin und Choreografin Ellen Cremer etwa schaffte es von Boisheim über Amsterdam bis nach New York. Erfolge oder Karrieren ihrer Schüler freuen Annette Schulz, doch im Alltag setzt sie andere Akzente: "Ich habe extra eine Ausbildung in Heilgymnastik gemacht, um zu verstehen, was im Körper bei Bewegungen vor sich geht, was gut tut, was nicht." Fleiß und Disziplin seien wichtig, doch falscher Ehrgeiz schade Kindern: "In der Bewegung stößt man an seine Grenzen und lernt, woran man arbeiten muss."

Zum ganzheitlichen Tanz gehört für Annette Schulz; die in ihrer Freizeit gern liest, reist und die Stille sucht, auch das Soziale: Das Miteinander in den Gruppen und mit den Eltern fördern, so dass "Beziehungen, Freundschaften auch über die Schule hinaus" entstehen.

Annette Schulz gilt darum für ihre Schüler und deren Eltern, ob sie aus Kempen oder Krefeld, Viersen oder Mönchengladbach kommen, als die Ballettmutter von Boisheim. Doch sie bleibt bescheiden, übt mit ihren Schülern auch nach dem Jubiläumsfest fleißig weiter - nach dem Motto: Auf die Zehen, hoch den Arm, halbe Drehung!