Landwirtschaft in Viersen Hofmanagerin von jetzt auf gleich

Süchteln. · Ganz plötzlich musste die 23-jährige Katharina Dammer einspringen und die Landwirtschaft ihres erkrankten Vaters in Süchteln übernehmen.

Katharina Dammer koordiniert die Betriebsabläufe auf dem Mollenhof in Süchteln. Die junge Landwirtin vertritt ihren Vater, der nach einem Schlaganfall noch nicht wieder mitarbeiten kann.

Foto: Knappe, Joerg (jkn)

So war das alles nicht geplant. Eigentlich wollte Wilhelm Dammer seine Tochter Katharina nach und nach einarbeiten, irgendwann sollte die 23-Jährige gut vorbereitet den Hof in Süchteln von ihm übernehmen. Doch dann bricht jener Tag im Sommer 2019 an, der alles verändert.

Die Tochter hat kurz zuvor ihre letzte Prüfung in einer Weiterbildung geschrieben, die Getreideernte steht bevor, Landwirt Dammer hat viel zu tun. Er ist mitten bei der Arbeit, als er einen Schlaganfall erleidet. „Und dann war er erstmal weg“, sagt Katharina Dammer. Also muss sie sich plötzlich um den Betrieb kümmern, um die Ernte, die rund 1000 Mastschweine. Und sie sorgt sich um den Vater. „Das war ein Schock. Man muss erstmal tief durchatmen und alles sacken lassen“, erinnert sich die junge Frau. Aber sie fing sich schnell, was blieb ihr auch anderes übrig: „Wenn man ins kalte Wasser geworfen wird, muss man schwimmen“, sagt sie. Mittlerweile hält sich Dammer schon ganz gut über Wasser. Ihr Ziel für 2020: Weiter schwimmen. Und wenn sie gut in Form ist, möchte sie im Betrieb ein paar Ideen umsetzen.

Seit fünf Monaten arbeitet Dammer in Vollzeit auf dem Mollenhof in Süchteln – so benannt nach den einstigen Besitzern, deren Geschichte sich bis etwa 1604 zurückverfolgen lässt. Das Gebäude wirkt herrschaftlich, wie ein Gutshaus, mit hohen Decken, weiten Fluren, einer großen einladenden Küche. Dort sitzt die junge Frau am Tisch, auch ihr Freund Dominik Hax ist da, ihr Vater Wilhelm hat seinen Rollstuhl an den Tisch bugsiert. Es ist Vormittag, die Schweine sind vorerst versorgt. Zeit für eine kleine Pause. Draußen streunt Hofhund Mäx herum, ein Appenzeller-Border-Collie-Mix.

Nachdem Dammers Vater den Schlaganfall hatte, gaben ihr Freund Dominik und sie ihre Wohnung in Nettetal auf, zogen auf den Hof. Für die 23-Jährige war das eine zwar überstürzte aber letztendlich doch geplante Rückkehr in ihr altes Zuhause. „Ich habe schon als Kind gesagt, ich möchte gerne auf dem Hof bleiben“, erzählt sie. „Schon damals habe ich meinem Vater oft geholfen, war mit ihm auf dem Trecker.“ Nach der Schule zog es sie aber erstmal weg vom elterlichen Hof.

Dammer machte von 2013 bis 2016 eine Ausbildung zur Landwirtin, verbrachte währenddessen und im anschließenden Gesellenjahr viel Zeit auf einem Bio-Betrieb. Sie arbeitete dreieinhalb Monate lang als Ziegensennerin in der Schweiz und hängte dann noch zwei Jahre Weiterbildung auf der Fachschule für Agrarwirtschaft mit Schwerpunkt ökologischem Landbau in Kleve an. Sie schrieb ihre letzte Prüfung, fing an, dem Vater auf dem Hof zu helfen. Eine Woche später hatte er den Schlaganfall.

Die Tochter kümmert sich um den Hof und ihren 68-jährigen Vater

Die Tochter kümmert sich um den 68-Jährigen, der mittlerweile wieder auf dem Mollenhof lebt. „Ich kann noch nicht wieder mitarbeiten“, sagt er. „Aber ich kann unterstützen und Anregungen geben“, ergänzt Wilhelm Dammer. Und: Das letzte Wort hat er, denn er ist weiterhin der Betriebsleiter. „Ich habe den Hof 1974 übernommen, in siebter Generation“, sagt er. In alten Schriften sei von einer Achnes Mollen die Rede, „nach ihr wäre ich erst die zweite Frau, die den Hof hier übernimmt“, ergänzt seine Tochter. Frauen in der Landwirtschaft – ganz so selten ist das heutzutage zwar gar nicht mehr, aber für viele Außenstehende immer noch ungewöhnlich. Für Katharina Dammer ist das ganz normal. Sie kennt andere junge Landwirtinnen, eine Viersenerin habe zeitgleich mit ihr die Ausbildung gemacht, erzählt sie.

Die Arbeit auf dem Hof teilt sie sich mit ihrem Freund Dominik. Er sei eigentlich gelernter Schlosser, erklärt der 24-Jährige. Doch jetzt sei er eben Quereinsteiger auf dem Hof. „Mittlerweile hat sich bei uns eine gewisse Routine eingestellt“, sagt Katharina Dammer. Ihr Vater lobt: „Sie macht das alles sehr gut.“

Zu den Aufgaben der Landwirtin gehört es, den Stall zu säubern, Tiere zu füttern, die Gesundheit der Schweine im Auge zu behalten, alles für den Transport zum Schlachter vorzubereiten, Arbeitsabläufe zu dokumentieren. „Es kommen immer mehr Einschränkungen von Seiten der Politik“, kritisiert ihr Vater. Hinzu kommen Maschinenpflege und -reparatur, außerdem Ackerbau. Die Dammers bauen Weizen und Zuckerrüben an. Das Getreide werde verkauft, gemahlenes Getreide als Futter zurückgekauft, erklärt Wilhelm Dammer. Die Zuckerrüben landen in einer Zuckerrübenfabrik in Appeldorn.

Die 23-Jährige mag an ihrem Beruf, dass sie oft draußen ist, mit Tieren zu tun hat, sich ihre Aufgaben je nach Jahreszeit verändern. Naiv ist sie aber nicht – sie weiß, dass sie einen Beruf ergriffen hat, der in Zeiten von Fridays for Future, Massentierhaltung, Schweinepest und Gülleverordnungen kritisch beäugt wird. „Es ist schwer, dass die Toleranz seitens einiger Verbraucher niedrig ist. Viele haben den Bezug zur Landwirtschaft verloren“, sagt Dammer. Sie hat mehrere Jahre in einem Bio-Betrieb gearbeitet, kennt verschiedene Methoden, Lebensmittel zu produzieren. Und hat für sich gelernt: „Landwirtschaft, egal wie man sie betreibt, ist ein Kompromiss.“ Dabei gelte der Grundsatz „So viel wie nötig und so wenig wie möglich“, etwa bezogen aufs Düngen.

Zwar ist für Dammer auf dem Hof mittlerweile der Alltag eingekehrt, sie hat die Betriebsabläufe verinnerlicht. Doch bis sie dort ihre eigenen Ideen jenseits von Schweinemast und Ackerbau verwirklicht, wird es wohl noch etwas dauern. „Längerfristig möchte ich ein weiteres Standbein haben“, sagt die Süchtelnerin. So könnte sie sich etwa vorstellen, irgendwann auch Freilandhühner auf dem Mollenhof zu halten. Ihr Vater Wilhelm hätte jedenfalls nichts dagegen.