Kreis Viersen: Die Drogenszene „duckt“ sich weg
Die Suchtberatung für den Kreis Viersen bietet regelmäßige Treffen an, um mit den Abhängigen in Kontakt zu bleiben.
Kreis Viersen. Der 25-jährige Christian aus dem Kreis Viersen ist hochgradig abhängig. Weil die Droge immer mehr sein Leben bestimmt, verliert er seinen Job. Doch um seine Sucht zu befriedigen, braucht er Geld: ein Teufelskreis. Irgendwann sieht er keinen anderen Weg mehr, als es sich auf illegalem Weg zu beschaffen. Er schlägt Autoscheiben ein, um an Handtaschen, Handys oder Navigationsgeräte zu kommen - ein fiktives Beispiel für eine typische Entwicklung.
Eine besonders brutale Form dieser Beschaffungskriminalität hat vor kurzem die Menschen in Viersen erschüttert: Eine Rentnerin war Ende Januar auf offener Straße überfallen worden. Um an die Handtasche der 74-Jährigen zu gelangen, schleifte sie der Täter am Riemen der Tasche meterweit über die Straße und trat ihr vor den Kopf.
Die Polizei konnte einige Tage später einen Fahndungserfolg vermelden. Nachdem sie Spuren in die Viersener Heroinszene geführt hatten, wurden zwei Tatverdächtige ermittelt. Die beiden Abhängigen (20 und 21) haben laut Polizei gestanden.
Die massive Gewalt bei diesem Handtaschenraub war auch in der Szene auf Ablehnung gestoßen. Und Hans Josef Kampe, Vorsitzender von Kontakt-Rat-Hilfe, der Suchtberatung für den Kreis Viersen, spricht von "einer großen Ausnahme", die in dem Verein mit Sitz an der Dülkener Kreuzherrenstraße ebenfalls Thema gewesen sei.
Wie aber sieht die regionale Szene aus, aus der die mutmaßlichen Täter kommen und in der harte Drogen wie Heroin konsumiert werden? Sie sei nicht "offen" wie etwa an der so genannten Platte am Krefelder Theaterplatz oder am Düsseldorfer Hauptbahnhof, sagt eine Sprecherin der Kreispolizei. "Wir haben unsere Hochabhängigen selten an solchen Plätzen", sagt auch Kampe. Die Szene "ducke" sich weg, komme eher in Kneipen, Diskotheken und Wohnungen zusammen. "Im ländlichen Raum bist du eher unter Beobachtung", erklärt der Vereinsvorsitzende.
Um mit Betroffenen in Kontakt zu kommen und zu bleiben, bietet die Suchtberatung mit ihren rund 30 Mitarbeitern unter anderem regelmäßig ein morgendliches Treffen an. Dieses "Fixer-Frühstück" soll auch dazu dienen, dass die Süchtigen sich zumindest einmal in der Woche vernünftig ernähren, wie Reiner Lennertz, Leiter von Kontakt-Rat-Hilfe, erklärt.
Außerdem gebe es dort die Möglichkeit, an saubere Spritzen zu kommen. Für die angebotene "Substitution", die Verabreichung von Ersatzstoffen wie Methadon, ist eine psychosoziale Begleitung "zwingende Vorgabe".