Ein etwas anderes Konzert Premiere der "Avantgärten" auf dem Schulhof
Viersen · Wie ein Schulhof mit einem ungewöhnlichen Konzert aus dem Sommerschlaf geholt wird haben die „Random Dudes“ am Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasium gezeigt.
Verführerische Töne aus E-Gitarren, Saxofon, E-Piano, dem OP1, einem Mix aus Synthesizer und Drum-Computer, und Stimme fließen ineinander über, klingen sphärisch leicht. Mal hören sie sich vertraut an, mal fremd, mal klassisch, mal futuristisch. Sprache taucht auf, wird abgelöst von Lauten. Die Klänge wiederholen und schichten sich und entwickeln eine hohe Dichte. Sie nehmen die Zuhörerinnen und Zuhörer auf eine fast schon meditativ zu nennende Hör-Reise mit.
Noch liegen die nordrhein-westfälischen Schulhöfe weitgehend im Sommerferienschlaf. Bis auf den des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums am Konrad-Adenauer-Ring in Viersen. Die achtköpfige Gruppe „Random Dudes“, junger Musiker und Musikerinnen unter der Leitung von Roland Sonnabend, hatte hier sein Equipment aufgebaut. Random Dudes lässt sich am ehesten mit „zufällige Kumpel“ übersetzen. Der Düsseldorfer Künstler Roland Sonnabend hatte für den Samstagabend in Viersen eine Truppe zusammengestellt, die vor den Proben noch nie zusammen musiziert hatten. Es ist Teil seines Konzepts, dass das Ensemble im Fluss ist.
Am Samstagabend erweckte das ungewöhnliche Konzert den Schulhof zum Leben. Es war der Auftakt zu der „Avantgärten“ genannten Veranstaltungsreihe. Eine Premiere für Viersen. Das Musikprogramm ist entstanden aus der Muziekbiennale des Kulturraums Niederrhein. Ziel der Veranstaltungen ist es, neuer und experimenteller Musik einen Raum zu geben an Orten, die für gewöhnlich nicht Schauplatz eines Konzerts sind: Das kann die Straße sein, ein Obstgarten oder eben ein Schulhof.
Nun ist der Schulhof des Erasmus-von-Rotterdam-Gymnasiums an einer Stelle ein besonderer Schulhof – und genau hier hatten sich die Musiker und Musikerinnen platziert: 1980 entstand dort ein auf klassischen Ideen basierendes, aber zeitgenössisch umgesetztes Amphitheater. Der in Viersen lebende Künstler Georg Ettl (1940-2014), Lehrer am Gymnasium, entwickelte die Ideen zu einem modernen antiken Amphitheater gemeinsam mit der Schülerschaft, um eine Stätte der Begegnung zu schaffen.
Es war die Idee von Gerda-Marie Voß, das Amphitheater zu einer Spielstätte der „Avantgärten“ zu machen. Sie habe diesen für sie besonderen Ort, so sagte sie in einem kurzen Gespräch zwischen ihr, Roland Sonnabend und der Journalistin Susanne Schnabel, im Entstehen miterlebt. Vor vier Jahren und unter dem Einfluss der Coronapandemie begann sie unter dem Pseudonym „Cloudy Rops“, besondere Orte zu suchen und sie künstlerisch zu aktivieren.
Und dann begann das einstündige Konzert, das entsprechend der Idee der „Avantgärten“ die Fragen beantworten soll, wie sich ein Raum durch Musik verwandelt, wie Musik die besondere Atmosphäre eines Raumes enthüllt. Im Gespräch vor dem Konzert hatte Roland Sonnabend die außergewöhnliche Akustik des Ortes betont, hatte die „musikalische Qualität der Optik“ hervorgehoben, die sich durch die auf- und absteigenden Linien im Hintergrund des Amphitheaters ergeben. Die Atmosphäre des Ortes, so Sonnabend, fließe immer in das Improvisationskonzert ein.
Um das als Zuhörer nachzuweisen, müsste man das Konzert zweimal an verschiedenen Orten hören. Was leider nicht möglich ist. Was sich aber im Laufe des Konzerts einstellte, war eine bewusstere Wahrnehmung von Musik und Ort, als sie in einem Konzertsaal gewesen wäre. Die Gäste waren eingeladen, sich während des Konzerts durch den Raum zu bewegen, wer es tat, schlenderte gemächlich hinauf und hinunter über die Stufen des Theaters, vorbei an den Pferdeköpfen, Marabus und Hauselementen von Ettl. Verlangsamung stellte sich ein, Zeit wurde spürbar.
Sonnabend spielt in seiner Musik mit dem Stilelement der Drone-basierten Musik, für die neben der Schichtung von Tönen charakteristisch ist, dass Klänge über einen langen Zeitraum angehalten, Wiederholungen eingebaut werden. Im Blickkontakt miteinander wurde das Ende des Konzerts eingeläutet – natürlich nicht mit dem klassischen Schlussakkord. Ganz langsam verklangen die Klänge, verabschiedete sich ein Instrument nach dem anderen aus dem Konzert.