Reha-Sport: Auf Borsten übers Parkett

Jagd auf die Daube machen Bosselspieler. In Viersen trafen sich elf Mannschaften zum Vergleich.

Viersen. Auf der Bahn in der Hallenmitte wird’s laut: Team Willich hat gut gezielt und wieder gewonnen. Claus Hoffmann und Kurt Spee strahlen. Schon der zweite Sieg im zweiten Spiel.

Ihre Bossel laufen heute gut. Sie gleiten auf ihren Naturborsten über den Boden. Jedenfalls sind das wohl die reinlichsten Sportgeräte, die man sich vorstellen kann. Sigrid Horsmann aus dem Gastgeber-Team der BSG Viersen weiß, wie sie ihren Sport all jenen am besten vorstellt, die sich darunter nichts vorstellen können: "Bosseln ist wie Eisstockschießen - nur mit Bürsten und ohne Besen." Der Hallenboden blitzt trotzdem blank.

Oh, Enttäuschung auf Bahn 2. Willi Winkelmolens Bossel stoppt zu früh, kurz vor der Linie, die das Feld der Daube abgrenzt. Die Daube ist ein roter Würfel, das Ziel der Bosselspieler, vergleichbar mit dem Schweinchen beim Boulespiel. Wer seinen Bossel am nächsten heran schiebt, erntet nach drei Wurfdurchgängen zwei Punkte, alle anderen im Zielfeld müssen sich mit einem Punkt begnügen. Oder gehen, wie Winkelmolen, mit diesem Wurf leider leer aus.

Elf Teams treten an diesem Samstagnachmittag in der Turnhalle am Erasmus-von Rotterdam-Gymnasium in Viersen an, fünf Männer-, sechs Damenmannschaften. Sie sind aus Willich, Grevenbroich, Neuss-Holzheim, Meerbusch und Nettetal angereist, um mit den Gastgebern um den Wanderpokal des Viersener Freundschaftsbosselns zu zielen.

Werner Neumann hat am Vormittag die Bahnen vermessen und abgeklebt - zehn Meter lange Rechtecke für die Herren, achteinhalb Meter lange Bahnen für die Damen. "Wir verkürzen etwas, aus Rücksicht auf unsere Sportler", sagt Neumann.

Er trägt den blauen Anzug der BSG Viersen, die früher Behindertensportgemeinschaft hieß und sich heute Bewegung und Reha-Sportgemeinschaft nennt.

"Der Begriff behindert schreckt viele eher ab", sagt Sigrid Horsmann, die sich wie andere Vereine um den sportlich aktiven Nachwuchs sorgt. In ihrem Club ist ihr Mann Willi mit 65 der jüngste, Willi Winkelmolen mit 78 Jahren der älteste Spieler.

"Wir spielen keine Wettkämpfe, sondern für die Kameradschaft", sagt Winkelmolen. "Genau", sagt Neumann, "für die Freud’." Deshalb ist nach diesem Durchgang auch erst einmal Pause und alle 50 Aktiven dieses Turniers klönen ein halbes Stündchen bei Kaffee und Kuchen.

Die Willicher Claus und Sigrid Hoffmann, Kurt Spee und ihr Mitspieler Hans Krenz sind auch dabei. Sie sind eine der stärksten Gruppen. Der VSR Willich 63 ist ein agiler Club. Das Bosseln trainieren sie - wie die anderen - einmal in der Woche.

Alle Herren- und alle Damenteams spielen jeweils gegeneinander. Im Laufe des Turniers werden die Spieler so dutzende Male die viereinhalb Kilogramm schweren Bossel schiebend ins Ziel gezirkelt haben.

Am Ende hatten die zunächst so siegreichen Willicher doch das Nachsehen. Sowohl bei den Männern als auch bei den Damen setzte sich Korschenbroich durch. Ihr Vereinsname wird nun auf den Pokal eingraviert.

Spieler wie der 78-jährige Willi Winkelmolen trainieren ab heute wieder und setzten auf das nächste Bosselturnier - und die Chance auf den Sieg nach einem blitzsauberen Wurf.