Rheinberg: Adolf Dormann - Der Herr der Königsvögel
Beim Vogelschuss ermitteln die Schützen ihre Majestäten. Adolf Dormann schnitzt die entsprechenden Adler.
Rheinberg. Zum Mann mit den Vögeln führt ein Weg voller Kaninchen. Hoppelnd flüchten sie ins Feld, wenn ein Auto die schmale Schotterpiste entlangfährt. Am Ende der Zufahrt liegt ein alter Bauernhof. Hier, in Rheinberg-Alpsray, baut Adolf Dormann hölzerne Adler, die nur eine Bestimmung haben: zu fallen.
"Ich war Anfang der 80er Jahre mal zu einem Vogelschießen eingeladen worden", beginnt der 65-Jährige die Geschichte einer Leidenschaft. Er erlebt, wie Schuss um Schuss abgegeben wird, ohne dass am Ziel starke Beschädigungen zu erkennen sind: "Der Vogel ist schlecht kaputt gegangen, weil er so hart war." Spontan bietet der Gast dem örtlichen Schießmeister fürs nächste Jahr seine Unterstützung an - "und schon war ich drin", sagt Dormann und lacht vergnügt.
Der frischgebackene Vogel-Konstrukteur macht sich zunächst auf die Suche nach einer geeigneten Vorlage. "Den ersten Vogel habe ich vom 5-Mark-Stück vergrößert, aber das Ergebnis gefiel mir nicht so", erinnert sich der schlanke Mann in der blauen Latzhose und dem verwaschenen Arbeits-Shirt. "Da habe ich den vom 100-Mark-Schein genommen." Und bei diesem imposanten Bundesadler bleibt er.
In der eigens dafür eingerichteten Werkstatt lagert er Bretter aus "Tanne/Fichte", wie sie im Gerüstbau benutzt werden: 4,50 Meter lang, 28Zentimeter breit, 4,50 Zentimeter dick. Mit Schablone, Hobel und Bandsäge werden daraus Rümpfe mit Schwanz und Kopf, Krallenfüße und Schwingen - Spannweite: 90 Zentimeter. Das braune Federkleid entsteht durch die Hitze einer Schleifmaschine.
Aus der vermeintlich einmaligen Schützenhilfe wird ein Vierteljahrhundert im Dienste vieler Majestäten in spe. Der gelernte Schlosser aus Kamp-Lintfort - früher auf der Zeche tätig -, sägt, feilt und schraubt unter anderem für das Bezirksschießen in Mönchengladbach und seinen Heimatverein, die St. Bernhardus-Bruderschaft Rossenray von 1296. Er liefert Vögel nach Hennef bei Bonn, Mayen in der Eifel und über die nahe Grenze in die Niederlande. Zum Thema Entgelt sagt Dormann: "Es lohnt sich nicht, dass man darüber spricht." Es sei einfach ein Hobby.
Der persönliche Rekord liegt bei 22 handgemachten Zielen im Jahr. Mittlerweile sind es allerdings nur noch sechs, der Rentner will in Sachen Holz-Vögel kürzer treten. Wie viele er insgesamt gebaut hat, kann er nicht mehr sagen. Dafür erzählt er von seinem ungewöhnlichsten Auftrag: Bei einem "Schießen für Jedermann" sei auf das berühmte Moorhuhn aus dem gleichnamigen Computerspiel angelegt worden. Den königlichen Adler hätten die Schützen dafür nicht hergeben wollen: "Der gehört uns."
Fünf Stunden müssen für eine normale Anfertigung eingerechnet werden, am Boden sammeln sich dann zentimeterhoch die Holzabfälle. Auch Adolf Dormann selbst ist von einer feinen Staubschicht bedeckt. Nur der Ehering glänzt am Finger. Was sagt eigentlich Ihre Frau zu der ganzen Geschichte, Herr Dormann? Die Antwort kommt mit einem Lächeln: "Sie hat sich mit dem Hobby abgefunden."
Dabei hat sicher geholfen, dass die Begeisterung für das Schützenwesen bei dem Paar nicht etwa einseitig verteilt ist: Während Adolf Dormann auf einen Titel als Bundeskönig verweisen kann, ist seine Frau als Renate I. in die Geschichte der Stadt Kamp-Lintfort eingegangen: Sie hat als erste Frau den Vogel abgeschossen.