Brauchtum in Viersen St. Martin reitet ohne Umzug

Viersen. · Während viele Martinsvereine in Viersen ihre Züge und Feiern coronabedingt zu St. Martin abgesagt haben, möchte eine Gruppe auf ihre Tradition auf keinen Fall verzichten. Zwar wird nicht alles wie gewohnt — aber einiges.

Lothar Beek vom Martinsverein Krefelder Straße hat eine besondere Veranstaltung geplant: St. Martin wird mit musikalischer Begleitung reiten – und die Zuschauer können vom Straßenrand oder dem geöffneten Fenster mit Abstand dabei sein.

Foto: Ja/Knappe, Joerg (jkn)

Ein Jahr so ganz ohne St. Martin, „das geht nicht“, sagt Lothar Beeck. Deshalb haben der Viersener und seine Mitstreiter vom Martinsverein Krefelder Straße beschlossen: St. Martin wird auch in diesem Jahr mit Musikbegleitung durch ihr Viertel ziehen. Nur eben ohne die bis zu 800 Kinder und Erwachsenen, die normalerweise mit ihm unterwegs sind. Die sollen – mit Abstand – vom Fenster oder Bürgersteig aus das Geschehen verfolgen können.

Viele andere Martinsvereine in der Stadt haben ihre Feste und Züge zu St. Martin hingegen wegen der Corona-Pandemie bereits abgesagt. Beeck betont: Sollten sich Zuschauer am Straßenrand nicht an Hygiene- und Abstandsregeln halten oder sich St. Martin auf seinem Weg durchs Viertel anschließen, „dann müssen wir das Ganze sofort abbrechen“.

Anfang September hatte die Stadt darauf hingewiesen, dass es in diesem Jahr auf öffentlichen Straßen in Viersen keine Martinszüge geben wird. Zwar ließen sich passende Schutz- und Hygienekonzepte erstellen, hieß es. Diese könnten aber in der Praxis weder umgesetzt noch kontrolliert werden. So werde kein Veranstalter in der Lage sein, die nötigen Abstände sowohl zwischen den Mitziehenden als auch unter den Zuschauern zu garantieren. Geschlossene St.-Martin-Veranstaltungen in Kitas und Schulen sind aber erlaubt. Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) betonte: „Es ist uns wichtig, ein klares Signal für den Erhalt des Brauchtums zu setzen. Zugleich dürfen Martinszüge nicht zu Hotspots für die Verbreitung des Coronavirus werden.“ Unter anderem der Dülkener St.-Martinsverein, der St.-Martinsverein Viersen-Bockert, der St.-Martinsverein Viersen-Hamm und der St.-Martinsverein Oberrahser haben ihre Züge und Feiern für dieses Jahr mittlerweile abgesagt.

Lothar Beeck führt nun aus: „In Abstimmung mit dem Ordnungsamt der Stadt Viersen kann anstelle des traditionellen Zugs im Bezirk Krefelder Straße eine Alternative stattfinden.“ Am Sonntag, 15. November, soll Edi Tusch als St. Martin ab 17 Uhr durchs Viertel ziehen. Die Strecke ist rund einen Kilometer lang. Der Arme Mann – Günther Luhnen – wird ihn begleiten, auch Musiker des Viersener Tambour-Corps kommen mit ihm. Aus einem Lieferwagen, der hinterher fährt, verteilen mit Handschuhen und Mund-Nasen-Schutz ausgestattete Helfer Weckmänner an Kinder, die am Straßenrand stehen. So wollen die Organisatoren vermitteln: „Wir kommen zu euch“, erläutert Beeck. Und: „Wir wollen auch die Tradition des Teilens, für die der heilige Martin steht, nicht vergessen.“ Edi Tusch ergänzt: „Uns ist wichtig, dass wir die Tradition aufrechterhalten, auch in diesen besonderen Zeiten.“

400 Weckmänner wurden mit Vereinsreserven gekauft

400 Weckmänner seien bestellt, „normalerweise geben wir sonst immer 360 Martinstüten aus“, sagt Beeck. So wie andere Martinsvereine haben auch die Ehrenamtler des Bezirks Krefelder Straße in diesem Jahr darauf verzichtet, an Haustüren Geld zu sammeln. Um die Weckmänner zu kaufen, werden Reserven genutzt. „Wir gehen dafür jetzt ans Eingemachte. Wir hoffen, dass wir im kommenden Jahr dann wieder normal sammeln können“, sagt Beeck. Der 47-Jährige hat Verständnis dafür, dass andere Vereine in der Stadt für dieses Jahr alles abgesagt haben. „Hinter vielen Vereinen stecken wie bei unserem Privatleute, die das ehrenamtlich machen.“

Das Risiko bestehe, dass sich Zuschauer am Straßenrand nicht an die Regeln halten. „Die Haftung für Verstöße liegt bei uns als veranstaltende Privatpersonen.“ Beeck ist zuversichtlich: „Ich vertraue darauf, dass die Menschen das verstehen und sich an die Vorschriften halten.“ Und er ist überzeugt, dass die Viersener „in diesen verrückten Zeiten ein bisschen Normalität
brauchen“.