St. Remigius: Adenauer im Kirchturm
162 Stufen führen in die Höhe. Oben angekommen, wissen die Besucher: Es hat sich gelohnt.
Viersen. Ein wenig Kondition sollte man schon mitbringen, wenn man den 61,30 Meter hohen und 10,20 Meter breiten Kirchturm von St. Remigius Viersen besteigt: 162 unterschiedlich hohe, ab und an auch sehr enge Stufen müssen bezwungen werden. Der Lohn ist ein besonderes Ferienerlebnis: Der Blick über die Kreisstadt entschädigt für den anstrengenden Aufstieg.
Dass man den Kirchturm überhaupt besteigen darf, ist der Viersener Geschichtsforscherin und Autorin Margret Hesse zu verdanken. Die Feuerwehr wollte den Aufstieg verbieten, weil es nur einen Auf- und Abgang gibt. Doch Margret Hesse hatte ein Gesetz ausfindig gemacht, wonach für alte Gebäude und Denkmäler andere Vorschriften gelten.
Der Turmaufstieg wird dank des ehemaligen Küsters, Rudolf Hünnekes (75), zu einer erlebnisreichen Geschichtsstunde. Da sind die 80 Minuten wie im Fluge vorbei und geblieben ist ein heimatkundliches Erlebnis der besonderen Art. Hünnekes würzt den Aufstieg mit Vorträgen und Anekdoten.
Er hat nämlich mit dafür gesorgt, dass die drei Turmkammern zu kleinen Wohnzimmern mit kirchengeschichtlichem Hintergrund wurden. Da ist der Kühlschrank der Arbeiter der Firma Berrisch im Seitenschiff bei der Erneuerung des Kirchendaches in den 70er Jahren stehen geblieben.
Das Kreuz des ehemaligen Hochaltars fristet in der dritten Turmkammer ein eher karges Dasein. Ganz zu schwiegen vom Christuskorpus der Karfreitagsliturgie. Selbst ein Bild von Konrad Adenauer ist in einer Turmkammer zu finden.
Hünnekes hat mit dafür gesorgt, dass der Kirchturm mehr als nur ein Turm ist, ein Wahrzeichen der Stadt — wenn auch nicht das Höchste. St.Josef ist höher, weiß Hünnekes zu berichten. Der Blick auf die Turmuhr gehört zu den Höhepunkten. Der Glockenstuhl beeindruckt. Die sieben Glocken wirken überwältigend. Das Geläut war aus Sicherheitsgründen abgestellt. Von Hand durfte man sie „anschieben“, den Klöppel bewegen. Die zehnjährige Lisa aus Mönchengladbach-Giesenkirchen war sprachlos.
Der Abschluss: Der Blick über Viersen — die Krönung eines nicht alltäglichen Morgens. Eine Besucherin konnte gar den Turm ihrer Pfarrkirche in Anrath sehen.