AKW wieder am Netz Pannen-AKW wieder am Netz: Kreis erneuert Notfallplan
Kreis Viersen. · Tihange 2 ist wieder hochgefahren. Der Kreis Viersen wird bald die Ausgabe von Jod-Tabletten an die Bevölkerung üben.
Der Kreis Viersen hat jetzt seinen überarbeiteten „Maßnahmenplan zum Katastrophenschutz in der Umgebung von kerntechnischen Anlagen“ im Ausschuss für Rettungswesen vorgestellt. Hintergrund: Der nahe der deutschen Grenze gelegene belgische Atomreaktor Tihange 2 ist nach rund elf Monaten Unterbrechung wieder in Betrieb. Im August 2018 war Tihange 2 für Wartungsarbeiten heruntergefahren worden. Dabei hatten Inspekteure marode Betonflächen in dem 34 Jahre alten Meiler entdeckt. Der Neustart war ursprünglich vergangene Woche geplant gewesen, wurde dann aber mehrfach verschoben. Teile des Kreises Viersen, darunter Brüggen und Niederkrüchten, liegen in der sogenannten Außenzone des Reaktors (weniger als 100 Kilometer entfernt), der Rest des Kreisgebietes befindet sich in der sogenannten Fernzone. In den kommenden Tagen soll ein Informationsflyer in Rathäusern, Apotheken und Arztpraxen zur Verfügung gestellt werden. Darin stehen neben praktischen Tipps für einen atomaren Notfall auch Informationen zur geplanten Verteilung von Jod-Tabletten. Insgesamt 330 000 Tabletten lagern zurzeit für den Fall eines Super-GAUs in der Krankenhaus-Apotheke des Allgemeinen Krankenhauses (AKH) Viersen. Von dort sollen die Tabletten nach einer Kernschmelze zu den Ausgabestellen in den einzelnen Kommunen gefahren werden.
Standorte der Ausgabestellen stehen noch nicht fest
Wo genau diese Ausgabestellen liegen, steht derzeit noch nicht fest. „Die Standorte werden sich aus einer Übung ergeben, die wir planen“, erklärte Kreisbrandmeister Rainer Höckels den Ausschussmitgliedern. Bei der Übung sollen die vorhandenen Tabletten tatsächlich aus dem AKH an die geplanten Ausgabestellen transportiert werden. Ob die gut geeignet sind, werde aufgrund der Erfahrungen bei der Übung dann noch einmal überprüft, so Höckels.
Wofür sind die Jod-Tabletten gut? „Durch die Einnahme erfolgt eine Sättigung der Schilddrüse, wodurch die Aufnahme von radioaktivem Jod verhindert werden soll“, heißt es in dem Flyer. Die Tabletten werden aber nicht an alle Bewohner des Kreises Viersen abgeben. In der Außenzone können Personen bis 45 Jahre die Tabletten bekommen. Mit steigendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit stark ab, an Schilddrüsenkrebs durch ionisierende Strahlung zu erkranken. Über 45-Jährige sollten daher gemäß den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission von einer Einnahme der Jod-Tabletten absehen. In der weiter entfernten Fernzone werden die Jod-Tabletten im Schadensfall nur an Personen bis 18 Jahre sowie Schwangere abgegeben. Hintergrund: Kommt es also bei Kindern zur Aufnahme von radioaktivem Jod, so führt dies im Vergleich zum Erwachsenen zu einer wesentlich höheren Belastung des Gewebes, weil die Schilddrüse kleiner ist als bei Erwachsenen.
Die Tabletten werden nicht an minderjährige Personen unter 18 Jahren abgegeben. „Außerdem soll pro Haushalt nur eine Person die Ausgabestelle aufsuchen“, heißt es in dem Informationsflyer. Wer nach der Kernschmelze lieber nicht die Ausgabestelle aufsuchen möchte, dem wird empfohlen, „sich bereits im Vorfeld über die örtlichen Apotheken mit Jod zu versorgen“.
Die Politiker im Ausschuss sahen die Planung, zu der der Kreis rechtlich verpflichtet ist, kritisch: „Die Ausgabe von Jod-Tabletten ist doch nur ein Placebo“, sagte Anne Kolanus (CDU). Hans Smolenaers (SPD) sagte: „Ich kann mich nicht beherrschen, darauf hinzuweisen, dass die beste Prävention wäre, den Schrottmeiler abzuschalten.“