Trend: Gärtnern mitten in der Stadt
Vereine lösen sich von ihrem verstaubten Image.
Viersen. „Früher beschränkte sich die Idee des Gartens für viele auf den Zaun, Zierrasen und die Hollywoodschaukel“, sagt Werner Heidemann, Geschäftsführer des westfälisch-lippischen Landesverbands der Kleingärtner. Heute sollen Kleingartenanlagen ein Erlebnispark für alle Bürger sein. Neben den privaten Parzellen entstünden dort neue Freiräume zum Spielen und Verweilen.
Breite Wege und offene Pforten für Spaziergänger, begehbare Schau- und Lehrgärten stünden auch Nicht-Mitgliedern offen. Heute engagierten sich auch immer mehr junge Leute in den Kleingärten. „Sie wollen die Natur erleben.“
Die neue Lust am Gärtnern zeigt sich längst nicht mehr nur hinter dem Gartenzaun der Kleingartenanlage. Seit die Berliner Prinzessinnengärten als erstes international prominentes Beispiel für „Urban Gardening“ („Gärtnern in der Stadt“) in Deutschland zeigten, dass Säen, Jäten und Ernten auch mitten in der Stadt gelingen können, entstehen in vielen Ballungsräumen ganz neue Formen des Gärtnerns.
Interkulturelle Gärten betonen dabei das Miteinander von Menschen verschiedener Herkunftsländer, mobile Gemeinschaftsgärten verwandeln Industriebrachen in Gemüsegärten aus Plastikkästen und Substratsäcken, andernorts beackern Nachbarschaften vernachlässigte Grünflächen.
Rund 300 solcher Projekte deutschlandweit zählt die Forschungsgesellschaft „anstiftung“. Hinzukommen zahllose Selbsterntegärten, kleine Mietäcker, auf denen sich der Stadtmensch im Anbau versuchen darf.
„Es ist eine neue, junge Umweltbewegung mit einem höchst pragmatischen Ansatz“, erklärt Christa Müller, Urban-Gardening-Expertin und Geschäftsführerin von „anstiftung“. Die Soziologin versteht das gemeinsame Gärtnern als Antwort auf anonymer werdende Großstädte und eine immer hektischere Arbeitswelt. Das Gärtnern befriedige die Sehnsucht nach Entschleunigung und verlorener sinnlicher Erfahrung: „In der Erde wühlen, den Dreck spüren — das fehlt vielen in unserer virtuellen Gesellschaft.“ red