Urteil nach der Bluttat von Amern: 15 Jahre Haft, Psychiatrie für immer
Schwalmtal/Mönchengladbach. Wenn man Tage nach dem Dreifach-Mord von Amern in dem Örtchen nach der Tat fragte, dann haben viele "gewusst, dass das irgendwann mal kommen musste".
In dem Moment, wo an jenem Dienstagnachmittag im August die Schüsse fielen, war für alle nur unfassbar, was vor ihren Augen in ihrer beschaulichen Siedlung gerade geschah.
Rentner Hans P. (heute 72) hatte eine Waffe gezogen und schoss damit auf Menschen. Nicht zufällig und wahllos, wie er hinterher erklärte, sondern ganz gezielt auf Anwälte und Gutachter. Auf die Anwälte und Gutachter, die in seinen Augen korrupt waren und in ein Komplott gegen seine geliebte Tochter Barbara K. (44) verstrickt, die sie angeblich um ihr Haus bringen wollten, das Opfer in einem jahrelangen Rosenkrieg zwischen Barbara K. und ihrem Mann Hubert zu werden drohte. Drei Menschen starben in dem Kugelhagel.
Am Dienstag hat Hans P. das Urteil vom Mönchengladbacher Landgericht für seine Tat bekommen: 15 Jahre Haft und sofortige Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Damit blieb das Gericht zwar vom Strafmaß her unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die lebenslange Haft gefordert hatte, aber "faktisch" gerate die Strafe zur "Nebensache", wie Richter Lothar Beckers in seiner Urteilsbegründung betonte. Denn: "Die Unterbringung in der Psychiatrie ist dauerhaft."
Und nachdem ihm im Verfahren der renommierte Gutachter Professor Norbert Leygraf bescheinigt hatte, dass er "immer gefährlich" bleiben werde, dürfte es auch nach Ablauf der Haftzeit - sofern der Rentner diesen erlebt - schwierig sein, einen Gutachter zu finden, der das Gegenteil bestätigt.
Dass das Urteil am Ende "nur" 15 Jahre und nicht lebenslang lautete, liegt an P.s eingeschränkter Schuldfähigkeit. Staatsanwalt Stefan Lingens hatte zwar in seinem Plädoyer argumentiert, man könne auch bei verminderter Schuldfähigkeit das volle Strafmaß verhängen. Die besonderen Gründe, die er dafür anführte, reichten den Richtern aber nicht. Natürlich habe P. besonders gefühlskalt und reuelos gehandelt, so Beckers. Aber diese Kälte sei Teil des Wahns und damit nicht strafverschärfend zu werten.
Dass P. ohne Reue hinter seinen Taten vom 18. August 2009 steht, hatte er in dem ihm zustehenden Schlusswort bewiesen. "Das ist Unrecht, was Ihr getan habt", sagte er zu den Richtern. "Dieses Schlusswort ohne Entschuldigung und Reue hat niemanden überrascht", kommentierte Beckers in seiner Urteilsbegründung.
Während die Verteidigung mit dem Urteil "nicht unzufrieden" war, wie es Anwalt Michael Rost formulierte, ist für andere der Schlusspunkt noch nicht gesetzt. "Meine persönliche Meinung ist, dass das heute nicht unbedingt zu Ende ist", sagte Nebenklage-Anwalt Gerhard König. Auch Staatsanwalt Stefan Lingens sieht die Ermittlungen gegen die Tochter des Täters noch nicht als abgeschlossen an. "Wir haben ihr bisher nur weder Mitwisserschaft noch Beteiligung nachweisen können." Ein Gutachten des Landeskriminalamts zu DNA-Spuren am Tatort und auch möglicherweise an der Waffe stehe aber noch aus.
Die Menschen in Schwalmtal, die das Verbrechen betraf, sind hin- und hergerissen. Einen "Schlussstrich" durch das Urteil wünscht sich Bürgermeister Reinhold Schulz - und die langsame Rückkehr zur Normalität. Für viele direkte Nachbarn steht aber noch ein anderes Datum im Raum: der 26. April. Dann nämlich soll das Tat-Haus versteigert werden.
"Es soll jemand völlig Fremdes bekommen, der gar nichts mit der Familie zu tun hat", wünscht sich ein Anwohner. Er hält, wie einige seiner Nachbarn, nämlich auch Barbara K. für unberechenbar. "Manchmal denke ich, wir leben hier auf einem Pulverfass."
Der Vorhang des Prozesses ist gefallen. Und dennoch bleiben viele Fragen offen. Die Frage nach der möglichen Schuld der Tochter, die über einen moralischen Anteil hinausgehen könnte. Aber auch die Frage nach vielen Einzelheiten in der Familie auf dem Weg zu dieser schrecklichen Tat.
Was am 21. April 2006 geschah, jenem Tag, der auch im Prozess aufschlüsseln sollte, wie tief der Streit zwischen den beiden Familien ging - das Gericht hat es nicht ergründen können. Auch die Herkunft der Tatwaffe, die laut Registrierung im Jahr 2006 verkauft wurde, von der Hans P. aber sagt, er besitze sie seit Mitte der 90-er Jahre, konnte nicht geklärt werden. Für die Feststellung von P.s Schuld war nichts davon wirklich von Bedeutung.