Familien-Service in Viersen Die Papa-Zeit der Stadtbibliothek wird zehn Jahre alt
Viersen · Seit einem Jahrzehnt sorgt ein besonderes Modell in der Stadtbibliothek für eine intensivere Vater-Kind-Bindung. Was es so wertvoll macht und wie es zu dem Angebot kam.
Als es anfing, waren die Verantwortlichen skeptisch, ob eine Papa-Zeit in der Stadtbibliothek Viersen von Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird. Heute wird sie zehn Jahre alt und hat sich fest etabliert. „Mittlerweile ist die Idee ja nicht mehr neu, damals aber schon“, sagt Uta Krüger, stellvertretende Leiterin der Bibliothek.
Es war Christian Meyn-Schwarze, der vor einem Jahrzehnt mit der Idee auf die Stadtbibliothek zukam. Der heute 71-Jährige sagte vor 30 Jahren seinem Büro „Tschüss“ – um mehr Zeit zu haben, mit den Kindern spielen zu können. Seine Frau, eine Bibliothekarin, brachte ihm für die Töchter ein Erlebnisbuch eines Vaters zum Vorlesen mit. „Seitdem sammele ich Bücher und Geschichten über Männer und Kinder und habe inzwischen eine private Bibliothek von 800 ‚Papa- und Opa-Büchern‘“, sagt er. Für das Modell der Papa-Zeit wurde Meyn-Schwarze im Jahr 2018 mit dem Deutschen Lesepreis ausgezeichnet.
Die Idee dazu sei vor zwölf Jahren in der Bibliothek seiner Heimatstadt Hilden entstanden. „Ich war dort bekannt als Lesevater in der Grundschule und als Erlebnispädagoge in Kindertagesstätten, der samstagsvormittags für Väter etwas anbieten sollte“, sagt Meyn-Schwarze. Die Leiterin der Viersener Kinderbibliothek, Monika Effkemann, habe ihn damals probeweise eingeladen. Die Idee hinter der Papa-Zeit: Väter sollen bewusst mit ihren Kindern Zeit verbringen und sich aktiv mit ihnen beschäftigen – gemeinsam basteln, lesen oder körperlich betätigen. Mamas haben in dieser Zeit frei.
Dass die Veranstaltung in Viersen zu so einem Dauerbrenner werde, damit habe damals niemand gerechnet, sagt Krüger. Jedes Jahr gibt es vier Veranstaltungen, jede steht unter einem anderen Motto. „Wir passen das Angebot häufig an Jahreszeiten an“, sagt Krüger. „Zum Beispiel Vögel im Winter oder Adventskalender. Beim letzten Mal wurde ein Kressegarten in Tetrapacks angelegt.“ Bei dem Thema Bienen habe man schon häufig mit einer Imkerei kooperiert, die den Weg vom Nektar bis zum Honig erklärte. „Allgemein sind Dinge, die mit nach Hause genommen werden können, wie Fingerabdruckbilder, immer beliebt“, sagt Krüger. Eine besondere Papa-Zeit sei auch die vor Weihnachten: „Ich glaube, wenn die mal ausfallen müsste, würde es sehr auffallen. Die Stimmung ist dann immer besonders schön.“ Eines der Lieblingsthemen von Meyn-Schwarze ist ebenfalls ein weihnachtliches: „In der ‚Weihnachtskleckserei‘ bauen Kinder und Väter aus verschiedenen adventlichen Leckereien ein Knusperhäuschen“, sagt er.
Bei der Premiere vor zehn Jahren wurde die Geschichte vom kleinen Bären vorgelesen, der seinem müden Papa den Wunsch vortrug, heute ein Zirkusfest zu feiern. „Wie er alle Tiere zum Mitmachen motivieren konnte und wie dann Kinder und Väter selber zu Zirkusartisten werden, wurde bei der allerersten Papa-Zeit in Viersen gespielt“, sagt Meyn-Schwarze.
Für den runden Geburtstag wurde das Thema jetzt noch einmal gewählt. Unter anderem werden Seiltanz, Jonglage, Leiter-Akrobatik und der Umgang mit einem Schwungtuch geübt. Das Besondere: „Obwohl Mamas ja eigentlich gar nicht involviert sein sollten, können sie, wenn sie möchten, zum Abholen vorbeikommen und sich das Ergebnis ansehen“, sagt Krüger.
Das Thema der jeweiligen Papa-Zeit sei, sagt Krüger, aber fast egal. „Wichtig ist die Zeit zu zweit.“ Fotos zeugen von besonderen Momenten, auch während Auszeiten. „Es fällt auf, wie sehr die Kinder das gemeinsame Zeitverbringen genießen“, sagt Krüger. Auch Meyn-Schwarze spricht dieser gemeinsamen Zeit einen großen Wert zu: „Ich erlebe seit Jahrzehnten bei einigen der jungen Väter die Sehnsucht, etwas aktiv mit Kindern zu erleben“, sagt er. Ihre Rolle als Familienvater ernst zu nehmen und die kleinen Zeitfenster, die der Beruf lässt, intensiv zu erleben.“ Solch eine intensive Familien-Zeit zwischen Männern und Kindern biete die Papa-Zeit. Nicht zu Hause, wo andere Aufgaben warten, sondern bewusst in der Bibliothek.
Meyn-Schwarze hofft, dass die Stadt Viersen sich diesen Service für Familien auch in Zukunft diesen leisten kann. „Heute bin ich zum 37. Mal zur Papa-Zeit in Viersen. Das Jubiläum „50. Papa-Zeit“ werden wir doch wohl auch schaffen“, sagt er.