Viersen: Gesprächspartner im Knast
Rentner Christian Brüning betreut ehrenamtlich einen Schwerverbrecher.
Viersen. Christian Brüning streckt seinen Arm aus und dreht mehrmals einen unsichtbaren Schlüssel in einem unsichtbaren Schloss herum. "Klack, klack, klack - so macht es ständig im Knast", sagt er. Im Oktober 2006 hörte er das Geräusch von schweren Stahltüren, die hinter einem verriegelt werden, zum ersten Mal in seinem Leben.
Brüning sitzt auf einem orangefarbenen Sofa in seiner modern eingerichteten Wohnung an der Viersener Hohlstraße und erzählt von der ehrenamtlichen Arbeit: Seit zweieinhalb Jahren ist der Rentner - auf Vermittlung der Freiwilligen-Zentrale - Gesprächspartner für Insassen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Willich I in Anrath.
Für ihn sei schon längere Zeit vor dem Ausscheiden aus dem Beruf klar gewesen, dass er sich danach in irgendeiner Weise gesellschaftlich engagieren werde, sagt der schlanke große Mann mit den schneeweißen Haaren. Dass er aber mal einem Schwerverbrecher im Gefängnis gegenüber sitzen würde, hätte er sich nicht träumen lassen.
Peter nennt Brüning den Mann, den er derzeit einmal wöchentlich für rund zwei Stunden trifft. Peter ist Mitte 50 und in der sozialtherapeutischen Station der JVA untergebracht - einem "Knast im Knast" wie es sein ehrenamtlicher Betreuer nennt.
Was der Mann genau getan hat, will Brüning nicht verraten. Nur soviel wird deutlich: Er hat eine kriminelle Karriere hinter sich, die mit einem toten Menschen ihr furchtbares Ende fand. Dafür sitzt der Täter seit über 20 Jahren hinter Gittern - sein halbes Leben. Es ist offen, ob er jemals frei kommt.
"Er hat schlimme Sachen getan und sitzt zu Recht im Knast", sagt der 65-Jährige. "Mir tut keiner leid, der da sitzt." Aber er sagt auch, dass der Gefangene seine Würde habe, "die wir ihm nicht absprechen dürfen". Auch deswegen fährt der ehemalige Geschäftsstellenleiter einer Bausparkasse jeden Dienstag nach Anrath.
Hauptsächlich gehe es ums Zuhören. Peter, der keinerlei Kontakte mehr außerhalb der hohen Mauern habe, würde die meiste Zeit reden. Brüning: "Ich bin wie ein Trichter, in den er alles reinschütten kann." Auch über seine Taten könne er inzwischen reden.
Wie hält man das als Zuhörer aus? "Dafür muss man schon ganz schön gefestigt sein", sagt Christian Brüning.