NRW NS-Dokumentationszentrum geplant

Viersen · Die „Virtuelle Gedenkstätte“ des Vereins für Erinnerungskultur Viersen ist bundesweit beachtet. Bald soll es auch ein reales NS-Dokumentationszentrum in Viersen geben. Vorbild ist die Villa Merländer in Krefeld.

Zwangsarbeiter in Viersen-Süchteln sammeln auf ihren Knien Kartoffeln auf.

Foto: Kreisarchiv

Die Stadt Viersen soll ein NS-Dokumentationszentrum bekommen. Das kündigte Viersens Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) an. Die Initiatoren würden in ihre Arbeit gern den gesamten Kreis Viersen einbeziehen. „Damit wäre der Kreis Viersen der erste in der weiteren Region mit einem eigenen NS-Dokumentationszentrum“, sagte Uwe Micha vom Verein zur Förderung der Erinnerungskultur Viersen 1933-1945.

Anemüller hatte den Plan für das NS-Dokumentationszentrum bei der Eröffnung der Mönchengladbacher Synagoge erstmals öffentlich gemacht. „Um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern, die in Viersen lebten und wirkten, beteiligen wir uns seit 2008 an der Aktion ,Stolpersteine’ des Künstlers Gunter Demnig“, sagte Anemüller. „Ergänzend dazu liefert ein webbasierter Stadtrundgang zu Orten, die während der Diktatur der Nationalsozialisten eine Rolle spielten, Informationen zum Themenkomplex“, so die Bürgermeisterin. „Wenn es auch noch nicht ganz spruchreif ist, möchte ich an dieser Stelle doch erwähnen, dass wir uns zurzeit in Überlegungen zu der Einrichtung eines NS-Dokumentationszentrums in Viersen befinden – ein Plan, den ich als Bürgermeisterin aus tiefster Überzeugung unterstütze.“

Ein Ort für das Zentrum
steht noch nicht fest

Das Konzept für das Dokumentationszentrum stehe, sagt Micha. Er betont aber auch: „Entschieden ist noch nichts.“ So sei beispielsweise die Frage nach dem genauen Ort des Zentrums noch völlig offen.

Wichtig ist den Initiatoren die pädagogische Arbeit des NS-Dokumentationszentrums, die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. „Wir haben uns intensiv mit den Mitarbeitern der Villa Merländer in Krefeld ausgetauscht, die ist gewissermaßen ,die Blaupause’“, sagt Micha. Franziska Lennartz, die sich seit drei Jahren im Verein für Erinnerungskultur engagiert, erklärt: „Wir erleben an vielen Punkten eine Welt, die immer extremer wird.“ Gerade Kinder und Jugendliche seien aber zugänglich für Empathie und Verständnis – genau da könne die Archivpädagogik des geplanten Dokumentationszentrums ansetzen.“

Die ehrenamtliche Arbeit bringt die Vereinsmitglieder auch zeitlich an ihre Grenzen. „Als wir angefangen haben, wussten wir von 314 NS-Opfern in Viersen, nach ersten Recherchen erhöhte sich die Zahl auf 800. Mittlerweile haben wir in unserer Datenbank mehr als 8000 Menschen“, berichtet Micha. „Die Recherche ist aufwändig.“ Sie fließt in die virtuelle Mahn- und Gedenkstätte des Vereins ein. Das bundesweit einmalige Projekt wurde im vergangenen Jahr vom Land NRW mit dem Integrationspreis ausgezeichnet.

Was ist in einem realen Dokumentationszentrum geplant? Da geht es beispielsweise auch um Personal. „In der 250 000-Einwohner-Stadt Krefeld sind in der Villa Merländer fünf Mitarbeiter beschäftigt“, berichtet Micha. Im 300 000 Einwohner starken Kreis Viersen gebe es gar kein Personal für solche Zwecke. Die Stellen in Krefeld seien großenteils aus Fördergeldern finanziert, berichtet Micha. Diese Möglichkeit bestünde auch für das NS-Dokumentationszentrum in Viersen. Inhaltlich sieht das Konzept vor, dass die Zusammenarbeit mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen gefördert wird – zum Beispiel sollen die Schüler die Geschehnisse während der NS-Zeit in ihrem direkten Wohnumfeld besser kennenlernen. „Jede Stadt hat ihre Anne Frank“, sagt Micha. Schon jetzt habe beispielsweise die Grundschule im Rahser die Patenschaft für einen Stolperstein übernommen, der an einen sechsjährigen, von den Nazi ermordeten Jungen erinnert. Und die Johannes-Kepler-Realschule in Süchteln arbeitet an der Virtuellen Gedenkstätte mit. Derlei Kooperationen könnten ausgebaut werden.

Social-Media-Plattform
und eine Fachbibliothek

Ebenfalls angedacht: eine Social-Media-Plattform für Jugendliche schaffen, auf der sie sich über geschichtliche und politische Themen austauschen können. Aber auch die Dokumentation selbst soll nicht zu kurz kommen. „Wir wollen eine Fachbibliothek aufbauen und pflegen, die von Bürgern, Schulen, Studierende nutzbar ist“, erklärt Micha. Und: Die Jahre zwischen Hitlers „Machtergreifung“ 1933 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 in Viersen sollen durch Recherche in weiteren Archiven wissenschaftlich erforscht werden. Auch eigene Publikationen sind geplant. Lennartz beispielsweise schreibt gerade an einem Buch zum Thema „Zwangsarbeiter in Viersen“.