Aufführung „Jedermann“ im Ratssaal: Tolles Stück, düsterer Inhalt
Das Hohenloher Figurentheater zeigte den „Jedermann“ im Ratssaal.
Neersen. Es hat sich längst herumgesprochen, dass Figurentheater auch etwas für Erwachsene ist — zumindest wenn es sich um das Hohenloher Figurentheater handelt. Kein Wunder, dass der Ratssaal am Sonntagabend ausverkauft war. Die Inszenierung des „Jedermann“ nach Hugo von Hofmannsthal begeisterte trotz des düsteren Inhalts. So mancher Besucher mag ins Grübeln geraten sein, ob in ihm nicht auch ein kleiner „Jedermann“ steckt.
Dass da kein „Kasperletheater“ zu sehen sein würde, wurde sehr schnell deutlich: Die Stabfigur, die den Tod verkörpert, wirkte bedrückend gruselig, diese Stimmung wurden durch Endzeitmusik noch verstärkt. Aber dass der „Jedermann“ kein heiteres Stück ist, dürfte den Besuchern schon vorher klar gewesen sein.
Erstaunlich, wie Johanna (56) und Harald Sperlich (58) die enorm starke Bühnenpräsenz hinbekamen. Sie hatten ihre von Barbara und Günter Weinhold ausdrucksstark geschnitzten und erstaunlich beweglichen Figuren voll im Griff, verliehen ihnen genau die Geräusche, die Sprache, die zu den unterschiedlichsten Charakteren passten.
Charakteristisch war zunächst das Hohngelächter des „Jedermann“, der sein Lebensglück auf materiellen Dingen aufgebaut hatte. Der Tod gab ihm eine Frist, die beim „Jedermann“ für Frust sorgte: Kein Weggefährte war bereit, ihn auf dem letzten Weg zu begleiten. Seine junge Geliebte nicht, auch nicht die Verwandtschaft, also alle, die von seinem Reichtum gerne profitiert hatten.
Eine schillernde Figur: Mammon, der aus der Schatzkiste emporstieg — optisch eine Art „Meister Propper“, nur eben ganz in Gold. Selbst er machte sich über den „Jedermann“ lustig, und das auf sehr derbe Weise. Zwei der Figuren an der Fassade, in Stein gemeißelt, wurden zudem plötzlich lebendig: Sie verkörperten die Werke und den Glauben, traten in den Dialog mit „Jedermann“.
Ein Feuerball, ein paar ätzende Sprüche: Der Teufel wurde seinem Image gerecht — und „Jedermann“ musste seinen letzten Weg alleine antreten. Ein wenig geläutert war er schon.