Park von Schloss Neersen Das Geheimnis des Betons
Neersen. · Arbeiten von Martin Kleppe flankieren während der Festspiele den Weg rund ums Schloss Neersen. Der Künstler experimentiert mit Carbonbeton.
Der Aufbau von Skulturenausstellungen ist immer spannend, wenn Schwergewichte bewegt oder ausgefallene Exponate ausbalanciert werden müssen. Doch im Falle der Ausstellung mit Betonskulpturen von Martin Kleppe gab es Spannung pur. Eine zweiteilige Betonarbeit sollte zu Wasser gelassen werden . Das Unterteil wurde schnell ins Wasser geschoben. Ein Kleinlaster mit Auslegerkran erschien und nahm das Oberteil an den Haken. Der Künstler und sein Bruder zogen die Gummistiefel an und kontrollierten im Wasser das Aufsetzen. Die stilisierte Lotusblüte – oder was man mit der Arbeit auch assoziieren mag, Titel gibt es keine – schwimmt wirklich.
Zwar gibt es schon seit dem Ende des 19. Jahrhunderts Boote mit einem Betonrumpf. Doch allgemein verbindet fast jeder mit dem Material Beton den Ausdruck einer schweren Masse, die nicht sehr schwimmfähig ist. Wenn die Ausstellung auch „Dritter Akt: Beton“ heißt, so arbeitet der Künstler nicht mit irgendeinem Beton, wie wir ihn von jeder normalen Baustelle kennen. Martin Kleppe arbeitet mit dem Beton der Zukunft, mit Carbonstahl. Parallel zu seiner künstlerischen Arbeit in seinem Atelier in Üxheim in der Eifel begleitet er die Forschungen in der Textilbetonentwicklung an der TU Dresden und der RWTH Aachen.
Dieser hochfeste und korrosionsfreie Beton ermöglicht nicht nur in der Architektur und im Straßenbau ein neues Bauen, sondern auch in der Kunst. Wenn man anfängt, zu diesem neuen Baustoff nachzulesen, gerät man leicht ins Schwärmen. Aus Algen klimaneutrale Baumaterialien gewinnen, mit Carbonstahl die Infrastuktur der Straßen und Brücken dauerhaft sanieren doch bei aller Begeisterung darf man nicht die Kunst vergessen, um die es ab Sonntag im Park rund ums Schloss geht.
Freie Arbeiten in einer
organischen Formensprache
Martin Kleppe, 1973 in Köln geboren, ist Meisterschüler von Tony Cragg. Bei ihm studierte er von 1993 bis 1999 an der Düsseldorfer Kunstakademie. Bei seiner Ausstellung vor anderthalb Jahren in der Alten Post in Neuss arbeitete Kleppe mit dem Architekten Peter Böhm zusammen. In Neersen zeigt Martin Kleppe freie Arbeiten in einer organischen Formensprache. Er spielt aber auch mit funktionalen Formen, wie etwa bei diesem „Häuschen“, das den Künstler an die Science-Fiction-Fernsehserie Raumschiff Enterprise erinnert, wo es bei einem „Landgang“ immer „Beam me up, Scotty“ hieß. Oder ist es die modernisierte und abstrahierte Form eines Heiligenhäuschens, wie man sie auf dem Land überall findet? Vor dem Schloss aufgestellt, wirkt es auch wie ein Schilderhäuschen vor Kasernen – nur dass der Wachposten wohl gerade sein trockenes Plätzchen verlassen zu haben scheint.
Objekte wie dieses wirken einerseits vertraut, dann aber auch genauso irritierend unverständlich oder abstrakt. Vor allem ein Teil, das auf fünf Beinchen steht, changiert zwischen pflanzlichen und Tier-Formen, kann aber auch ein technisches Produkt sein. Und während der Betrachter noch rätselt, entdeckt er, dass oben ein bemaltes Becken verborgen ist. Ein Taufbecken, ein Regenwasserkollektor? Anders als die polierten Oberflächen bei den floralen Formen ist diese Oberfläche rauh, zusätzlich teilweise bemalt. Dieser Beton ist weder banal noch brutal. Über Form, Größe und Inhalt dieser Skulpturen lässt sich wunderbar philosophieren. hb