Demo vor Seniorenheim Demo vor dem Seniorenheim
Bewohner, Angehörige und Mitarbeiter eines Seniorenheims reicht es. Bei einer Art Warnstreik machen sie deutlich, was sie wollen: Zum Beispiel Personal, das auch Zeit für ein Gespräch hat.
Schiefbahn. „Es wäre schon schön, wenn wir uns intensiver mit dem Personal unterhalten könnten. Aber die haben gerade mal Zeit, uns zu pflegen“, sagt die 83-jährige Käthe Schulzki, die früher viele Jahre bei der Stadtverwaltung beschäftigt war und seit Januar im Schiefbahner Hubertusstift betreut wird. Sie war eine von etwa 50 Bewohnern, die vor dem Alten- und Pflegeheim an einer Art „Warnstreik“ teilnehmen. Die Mitarbeitervertretung hatte dazu eingeladen, um einmal mehr auf die Missstände in der Pflege aufmerksam zu machen.
„Wir wollen nicht immer sagen ,Ich komme gleich’ oder, wie einige meiner Kollegen und Kolleginnen, frühzeitig ausscheiden, einen Burnout bekommen, weil sie verbraucht sind“, sagt der 58-jährige Stephan Seng, der seit vier Jahrzehnten Pfleger ist. Er gehört ebenfalls der Mitarbeitervertretung an, hatte auch Kollegen des Caritas-Dachverbandes mitgebracht. Ihre Forderungen für die bevorstehenden Tarifrunden standen auf einigen Plakaten: ähnlich wie beim öffentlichen Dienst sechs Prozent mehr Geld, mindestens für die unteren Lohngruppen monatlich 200 Euro. Außerdem müsse die Ausbildungsvergütung für die jungen Leute oder für die Quereinsteiger, die sich für die Pflege entscheiden, um mindestens 100 Euro angehoben werden. Aber was ihnen genauso wichtig war: mehr Zeit, um sich intensiver um die Bewohner kümmern zu können.
„Es darf nicht mehr so sein, dass die vielen Berichte und die Dokumentation wichtiger werden als der bedürftige Mensch“, so bringen es andere Mitarbeiterinnen auf den Punkt. Mit Genehmigung von Heimleiter Anton Deiringer war den Pflegekräften zehn Minuten gestattet worden, an der Kundgebung teilzunehmen. Deiringer selbst meinte: „Ich finde es super, dass der Protest hier von den Mitarbeitern ausgeht und nicht von der großen Politik.“
Deiringer räumte ein, dass es immer schwieriger werde, Fachkräfte für den Bereich der Pflege zu bekommen, eingeschlossen Teilzeitkräfte für die Wochenenden: „Allein in diesem Jahr werden wir sicherlich wieder bis zu fünf neue Pflegehelfer beziehungsweise Pflegefachkräfte brauchen.“ Der Einrichtungsleiter leitet den Hubertusstift seit etwa 20 Jahren. Was ihn besonders ärgert: „Der Personalschlüssel ist trotz ständig gestiegener Aufgaben seit nahezu drei Jahrzehnten unverändert geblieben.“ Im Bereich der schweren Demenz sei er sogar zurückgegangen. Als ein Beispiel der Arbeitsüberlastung wurde genannt, dass in den Demenz-Abteilungen die mit Abstand meisten Bewohner, 24 an der Zahl, bei den Mahlzeiten gefüttert werden müssten; Altenpfleger Christian Nelke (33): „Wir schaffen das manchmal nur, wenn wir beim Essen in Etappen vorgehen und zwei Bewohner gleichzeitig versorgen — ein sehr frustrierender Zustand.“
Gabriele Lüdtke, Leiterin von drei Wohnbereichen
Trillerpfeifen als äußeres Zeichen des Protestes werden ausgegeben. „Denn wir pfeifen wirklich aus dem letzten Loch“, bemerkt Stefan Seng, der schon im November 2013 mit weiteren Mitarbeitern auf den Pflegenotstand bei einer Demo in der Schiefbahner Ortsmitte aufmerksam gemacht hatte. Damals hatte man direkt an der katholischen Pfarrkirche für kurze Zeit in Schlafsäcken zugebracht, wollte damit symbolisieren, dass die Pflege selbst ein Pflegefall geworden sei. Geändert hat sich offensichtlich nichts.
„Wir möchten mehr Zeit für die Bewohner haben“, sagte nicht nur die Anratherin Gabriele Lüdtke, die Leiterin von drei Wohnbereichen ist. Sie arbeitet als Pflegefachkraft dort seit 18 Jahren, hatte auch im Hubertusstift ihre Ausbildung gemacht. Sie wünscht sich ebenfalls mehr Personal: „So habe ich in einem Wohnbereich mit 15 Demenz-Erkrankten gerade mal für die Grundpflege eineinhalb Mitarbeiter.“
Die Demos der Caritas gehen weiter: Am 20. Juni soll es in Düsseldorf zu einem Treffen mit dem neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kommen.