Elefantenhaut gegen Beleidigungen
„Gewaltfrei lernen“ lautete das Thema an der Grundschule Wekeln. Das Sozialtraining ersetzte den Stundenplan.
Wekeln. „Du bist dick!“, zischt der Schüler. Im Vorbeilaufen rempelt er das Kind, das er mit schonungslosen drei Worten beleidigt hat, auch noch mit voller Absicht an. Der Bodycheck sitzt. Die Beleidigung auch. Viel länger als die große Pause dauert. Schon Kinder in der Grundschule erleben Beschimpfungen wie diese — und über Facebook und WhatsApp auch in anderen Läster-Dimensionen als unter vier Augen und vier Ohren.
„In der letzten Zeit gab es auch bei uns immer wieder Konflikte zwischen Kindern in der Pause und während des Unterrichts“, sagt Renate Küsters, Leiterin der Grundschule Wekeln. Die Schule hat seit langem ein Gewaltpräventionsprogramm. Mit Projekten haben sie und ihr Kollegium in einzelnen Klassen auf Konflikte reagiert. Nun ist dem Ziel „Gewaltfrei lernen“ eine kompakte Projektwoche gewidmet worden.
Sozialtraining hat in allen Klassen den Stundenplan außer Kraft gesetzt. Die Lehrerinnen haben sich zuvor fortgebildet. Die Kolleginnen aus der Betreuung machten mit. Eltern wurden auf einem Praxisabend gebrieft. 130 Mütter und Väter sind der Einladung gefolgt. Renate Küsters zieht ein begeistertes Fazit. Sie gibt der Woche das Prädikat „wertvoll“.
„Die Art der Gewalt hat sich in den vergangenen Jahren verschoben. Es gibt weniger körperliche, dafür mehr verbale Attacken“, hat Küsters festgestellt. Mit Übungen, angeleitet durch erfahrene Trainer, haben die Wekelner Kinder nun gelernt, sich in andere einzufühlen. „Wir haben dem ersten Thema viel Zeit gewidmet. Es war interessant, als Klassenlehrer wieder einmal die Beobachtungsrolle einnehmen zu können und zu sehen, wer wann ausgegrenzt wird.“ Die Kinder lernten in Spielen, dass nicht immer der schnellste Partner der ist, der zum Erfolg führt.
Besonders gefreut hat Küsters, dass vor allen die schüchternen Kinder Zutrauen zu sich selbst getankt haben. Sie haben Handlungskonzepte erlernt, mit denen sie nun auf Konfliktsituationen reagieren können. Küsters: „Der Tenor ist immer: Wie mache ich den Streit kleiner? Die Kinder werden gestärkt, es selbst zu lösen.“ “ Die Erst- und Zweitklässler wissen, dass sie Stopp sagen dürfen. Bis zu drei Mal. Erst dann sollen die Erwachsenen in den Streit eingreifen. Auch die Körperhaltung wurde trainiert: „Die Kinder gehen geradeaus, reden mit klarer, fester Stimme.“
Die Schule arbeitet an einem Regel- und Handlungskonzept, das für alle verbindlich sein soll. Die Schulkonferenz wird demnächst darüber abstimmen. Konsens, Konsequenz und Nachhaltigkeit — das sind für Renate Küsters die Schlüssel zum dauerhaften Erfolg. Damit es auch weit über die Projektwoche hinaus mit dem „Gewaltfrei lernen“ klappt. In ihrer Klasse werden beispielsweise noch Wiedergutmachungsideen gesammelt. Küsters: „Was kann man mehr tun, als nur Entschuldigung zu murmeln.“
„Du bist dick. Du bist hässlich. Du bist nicht schnell genug“ — für Beleidigungen dieser Art haben die Kinder auch ein Rezept an die Hand bekommen. Sie stellen sich vor, sie hätten Elefantenhaut. An ihr perlt die Beschimpfung einfach ab. Und damit das Kind, das den Satz hinausposaunt hat, das auch mitbekommt, reicht künftig eine Geste: Die Kinder streifen die Beleidigung einfach lässig am Arm ab. So funktioniert’s: reagieren statt resignieren.