Lokale Wirtschaft Brexit: „Niemand weiß, was wird“
Willich/Tönisvorst · Unternehmer und Experten aus Willich und Tönisvorst blicken gespannt nach England. Große Unruhe herrscht aber nicht.
Eigentlich kann man es zwar nicht mehr hören. Aber es geht schließlich um eine Entscheidung, die weitreichende Folgen für Deutschland, Europa und die Welt hat. Die Rede ist vom Brexit. Treten die Briten nun aus der EU aus? Wenn ja, wann? Und zu welchen Bedingungen? Schon an diesen drei Fragen ist zu erkennen, wie groß die Unsicherheit ist. Während die wohl schon entmachtete Premierministerin Theresa May einen Versuch nach dem anderen startet, ihren Deal mit der EU durchs britische Parlament zu bringen, sprach die WZ mit Wirtschaftsexperten aus der Region. Denn auch für Unternehmen aus Willich und Tönisvorst könnte ein Brexit – wie auch immer der aussieht – große Folgen haben.
„Das Thema ist natürlich auch bei Unternehmervertretern in aller Munde“, sagt der Willicher Wirtschaftsförderer Christian Hehnen. Insofern habe er schon einige Gespräche über den Brexit geführt – allerdings ohne wirklich konkret werden zu können. „Bei den Unternehmen, mit denen wir in Kontakt stehen, kann ich derzeit keine große Unruhe feststellen. Das wird aber in erster Linie damit zu tun haben, dass noch niemand weiß, was wird“, sagt Hehnen. Daher seien die Firmen nicht direkt in Sorge, es herrsche jedoch Unklarheit.
Hehnen wünscht sich deshalb, dass alsbald Klarheit herrscht. „Wir auch immer die Entscheidung in Großbritannien nun ausfällt, aber es sollte mal eine Entscheidung geben“, sagt der Willicher Wirtschaftsförderer. Wenn die Fakten zu einem konkreten Ausstieg auf dem Tisch lägen, könnten die Unternehmen die Szenarien für sich planen. Hehnen ist sich sicher, dass auch Unternehmen am Standort Willich derzeit das eine oder andere planen, um auf die unterschiedlichen Brexit-Szenarien reagieren zu können. Damit gehe aber kaum ein Unternehmer an die Öffentlichkeit.
Auch in Tönisvorst ist die
Stimmung eher abwartend
Ähnlich ist die Lage in Tönisvorst. „Angesichts der medialen Berichterstattung ist es zwar kaum zu glauben. Aber bei uns ist die Lage ruhig“, so Wirtschaftsförderer Markus Hergett. Konkrete Anfragen oder Beratungswünsche zu dem Thema lägen der Stadt nicht vor. Es gebe zwar einen lockeren Austausch mit Firmen zum Thema Brexit. Diese seien dann aber eher allgemein gehalten. Konkrete Sorgen oder Nöte eines Tönisvorster Unternehmens sind Hergett jedenfalls nicht bekannt.
„Solange nicht klar ist, wie der Ausstieg vollzogen wird, wird offenbar abgewartet.“ Mit diesen Worten fasst Stefan Enders, Bereichsleiter International bei der IHK Mittlerer Niederrhein, die Stimmung in der regionalen Wirtschaft zusammen. Zumal ja sogar noch darüber diskutiert werde, ob die Briten überhaupt die EU verlassen. „Wir erhalten äußerst selten konkrete Unternehmensanfragen zum Thema Brexit. Auch in den thematisch einschlägigen IHK-Veranstaltungen konnte keine Unruhe oder drängende Anliegen aufgenommen werden“, so Enders.
IHK-Experte geht von Planungen hinter den Kulissen aus
So wie der Willicher Wirtschaftsförderer geht der IHK-Experte auch davon aus, dass sich viele Firmen hinter den Kulissen für die unterschiedlichen Szenarien wappnen. Enders geht davon aus, dass das Thema an Fahrt aufnimmt, wenn die Rahmenbedingungen endlich geklärt seien und die Unternehmen diese in die Praxis umsetzen müssten. Bis dahin herrsche eine abwartende Haltung vor.
Nun gibt es auch einige Experten, die in einem Brexit durchaus Chancen oder Vorteile für deutsche Unternehmen sehen – beispielsweise, wenn sich britische Konkurrenten zurückziehen. „Die von uns erhobenen Daten weisen nicht darauf hin, dass die Unternehmen am mittleren Niederrhein eine Chance im Brexit sehen“, so Stefan Enders. Anderswo zu vernehmende Thesen könne er für den Niederrhein daher nicht bestätigen. Auch mit zusätzlichen Fachkräften (zum Beispiel aus Polen) scheinen die Unternehmen in der Region nicht zu rechnen. Im Zuge der Brexit-Debatte wird auch vermutet, dass sich polnische Arbeitnehmer statt nach Großbritannien eher nach Deutschland orientieren werden. Die IHK Mittlerer Niederrhein rechnet derzeit aber nicht mit einem breiteren Angebot an Fachkräften.