25 Maßnahmen auch in Tönisvorst Wie Tönisvorst klimaneutral werden soll
Tönisvorst · Die Stadt Tönisvorst macht mit beim Integrierten Klimaschutzkonzepts des Kreises Viersen und vier weiterer Kommunen. Bürger können von Förderprogrammen profitieren, die Stadt braucht mehr Personal und Geld.
(msc) Im Vergleich zu anderen Städten in Deutschland steht Tönisvorst gar nicht so schlecht da, was den Klimaschutz betrifft. Ein Beispiel: Die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien lag im Jahr 2019 bei 68 Prozent – und da sind die beiden Windkraftanlagen in der Rottheide bei Vorst noch gar nicht eingerechnet. Mit ihnen liegt der Wert gar bei rund 90 Prozent. Im Bundesschnitt sind es lediglich 52 Prozent Energie aus Windkraft, Biomasse und Photovoltaikanlagen. Wenn Tönisvorst allerdings ernsthaft dazu beitragen will, das Bundesziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen und die Erhöhung der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wird es auch in der Stadt großer, aber machbarer Anstrengungen bedürfen, wie jetzt Reiner Schlippkötter vom Beratungsbüro Energielenker Projects erläuterte, als er den Entwurf des Endberichtes zum Integrierten Klimaschutzkonzept (IKK) vorstellte. Dieser ist die Fortschreibung des IKK aus dem Jahr 2013.
Einen Tag zuvor hatte Tippkötter den Entwurf beim Kreis Viersen vorgestellt – der Tönisvorster Ausschuss für Umwelt, Klima, Energie und Landwirtschaft folgte. Weiter geht es in den kommenden Tagen in anderen Kommunen des Kreises Viersen. Das IKK haben der Kreis Viersen, die Städte Tönisvorst und Viersen sowie die Gemeinden Grefrath, Niederkrüchten, Brüggen und Schwalmtal gemeinsam mit Expertinnen und Experten des Beratungsbüros Energielenker Projects in den vergangenen Monaten erarbeitet.
Jetzt wird der Entwurf in die politische Beratung aller teilnehmenden Städte und Gemeinden eingebracht, der Rat der Stadt Tönisvorst soll im September die finale Version beschließen – und dann geht es an die Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen. Wichtiger Hebel, um die Klimaziele zu erreichen, ist laut Tippkötter die Reduzierung des Ausstoßes des Treibhausgases Kohlendioxid. Dafür beispielsweise notwendig: die Erhöhung der Sanierungsrate von Gebäuden, die Abkehr von fossilen Energien und die Verkehrswende.
Für die Maßnahmen werden zusätzliches Geld und Personal benötigt, doch Tönisvorsts Kämmerin Nicole Waßen sagte im Gespräch mit unserer Redaktion, Klimaschutz sei ein wichtiges Thema, für das man Geld in die Hand nehmen sollte. „Zudem sind wir eine der Kommunen, die den Klimanotstand ausgerufen haben, und sollten daraus die Konsequenzen ziehen“, sagte Waßen. Das Konzept sei nicht für die Schublade gedacht, sondern „wir wollen es nutzen für die Tönisvorster Bürger“.
Zum Maßnahmenpaket gehört auch der Ausbau von Radwegen
25 solch vielfältiger Maßnahmen, aufgeteilt in die fünf Bereiche „Wirtschaft“, „Entwicklungsplanung und Raumordnung“, „Kommunale Gebäude und Anlagen“, „Bildung und Kommunikation“ sowie „Mobilität“, gibt es. So sollen beispielsweise Klimaschutzstandards in der Stadtentwicklung und Bauleitplanung verankert und Klimaschutzsiedlungen errichtet werden, und der Wärmeverbrauch der städtischen Gebäude soll gesenkt werden. Für Bauherren, Sanierer und andere soll es Informations- und Beratungsangebote geben, Förderprogramme sollen aufgelegt oder erweitert werden, und auch die Kinder sollen für das Thema Klimaschutz sensibilisiert werden.
Zum Maßnahmenpaket gehört auch die Verkehrswende und damit auch der Ausbau von Radwegen und öffentlichem Nahverkehr und vieles mehr. Konkretes steht allerdings noch nicht im Entwurf, dies muss erst noch die Politik beraten und beschließen. Fest steht, dass die Stadt Tönisvorst allein nur begrenzten Einfluss hat, vielmehr gilt es, Anreize für Privatpersonen und Unternehmen zu setzen.
Damit sich nicht jede teilnehmende Kommune und der Kreis Viersen separat mit jeder der 25 Maßnahmen beschäftigen und überflüssigerweise Ressourcen binden, werden die Maßnahmen aufgeteilt und dann von der jeweiligen Kommune oder dem Kreis federführend bearbeitet. So sollen Synergien genutzt werden. Der Kreis Viersen soll 15 Maßnahmen bearbeiten, die Städte Tönisvorst und Viersen jeweils zwei bis drei und die übrigen vier Kommunen jeweils eine. Birgit Lufen von der Stadt Tönisvorst und Fachbereichsleiter Jörg Friedenberg verwiesen darauf, dass sich einige Themen mit dem Stadtentwicklungskonzept und dem Klimanotstandsarbeitsprogramms überschnitten, es bereits Förderprogramme in der Stadt Tönisvorst gebe (Lastenfahrräder werden beispielsweise bezuschusst) und es so in einigen Bereichen bereits Erfahrungen gebe, die man nutzen und weitergeben könne.
Denn Personalknappheit und Fachkräftemangel seien in allen Kommunen ein Problem, erläuterte Fachbereichsleiter Jörg Friedenberg, daher müssten die einzelnen Kommunen jeweils Schwerpunkte setzen, um gemeinsam die Ziele zu erreichen. Friedenberg geht davon aus, dass zur Umsetzung des IKK in der Stadtverwaltung acht bis 13 Stellenanteile benötigt werden. Das heiße aber nicht, dass es acht bis 13 neue Stellen geben werde, vielmehr müssten sich viele Mitarbeiter einzelner Abteilungen zunehmend mit dem Thema Klimaschutz und den entsprechenden Maßnahmen beschäftigen.
Für Reiner Tippkötter hat sich die Arbeit am IKK-Entwurf bereits gelohnt, denn dieser enthalte wertvolle Grafiken und Daten zur Ist-Situation in den teilnehmenden Kommunen. Neben dem oben erwähnten Anteil der Erneuerbaren Energien auch den Energieverbrauch nach Sektoren in Tönisvorst: 51 Prozent der Energie wurden im Jahr 2019 in den privaten Haushalten verbraucht, 20 Prozent im Verkehr, 16 Prozent in Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, zwölf Prozent in der Industrie und ein Prozent in kommunalen Einrichtungen. Die Treibhausgasemissionen pro Kopf und Jahr haben in Tönisvorst seit 2013 von 5,95 auf 5,38 Tonnen abgenommen.