Interview zum Brexit „Vertrauen in geliebte Engländer“

St. Tönis · Dieter Bergau organisiert am MEG den Austausch mit England. Er ist gespannt, wie der Brexit-Streit ausgeht. Das Verhältnis werde aber nicht getrübt.

Englisch-Lehrer Dieter Bergau organisiert Praktika in und Studienfahrten nach Großbritannien.

Foto: Reimann, Friedhelm (rei)

Dieter Bergau ist seit 1993 Lehrer für Englisch und Geschichte am Michael-Ende-Gymnasium (MEG). Mister Bergau ist auch derjenige, der Praktika und Studienfahrten für die Tönisvorster nach England organisiert. 450 Schüler hat er bisher auf die Insel begleitet, nach London und Umgebung. Mit dem Great-Britain-Kenner hat die WZ über den Brexit gesprochen, das wahrscheinliche Ausscheiden der Briten aus der Europäischen Union (EU), über  Fragen seiner Schüler und konkrete Auswirkungen auf die Austauscharbeit.

Herr Bergau, was haben Sie nach dem Referendum der Briten 2016, bei dem sich eine knappe Mehrheit für den Austritt aus der EU ausgesprochen hat, gedacht?

Dieter Bergau: Ich war überrascht, war der Meinung, dass die junge Generation der Engländer eine starke und positive Einstellung zu Europa hat und diese sich durchsetzen würde. Auf der anderen Seite hat die Angst schürende  Pro-Brexit-Kampagne vor allem bei dem älteren Teil der Bevölkerung Wirkung gezeigt.

Wie erleben Sie die Stimmung bei Freunden und Bekannten? So geteilt, wie das Land über den Brexit denkt?

Bergau: Kollegen, die ich aus dem schulischen Bereich und dem Austausch her kenne, sind gegen den Brexit. Die ältere Generation macht sich hingegen Sorgen, was etwa mit dem Gesundheitssystem des Landes, dem National Health System (NHS), wird, wenn immer mehr  EU-Bürger und Einwanderer aus ehemaligen Kolonien nach Großbritannien kommen. Die Angst vor der Gefährdung der inneren sozialen Sicherheit, die Beeinträchtigung des persönlichen Sicherheitsempfindens hat EU-Gegner beeinflusst.

Warum sind so viele Briten mit der EU unzufrieden?

Bergau: Die Einflussnahme der Europäischen Union auf Gesetzgebung und Bürokratie ist unverkennbar. Briten mögen es nicht, fremdbestimmt zu sein. Aber bürokratischen Belastungen stehen Subventionen gegenüber, etwa für die englische Landwirtschaft, und Chancen, die vor allem junge Engländer sehen: Arbeitsmöglichkeiten in EU-Staaten, der Frieden innerhalb Europas und seine Schutzstruktur nach außen.

Am Dienstagabend soll über das Austrittsabkommen, das Premierministerin May mit der EU ausgehandelt hat, im Parlament abgestimmt werden. Wie geht das aus?

Bergau: Wir können noch nicht abschätzen, was dieser Schritt für Wirtschaft und Logistik bedeutet, welche Institutionen abwandern werden. Aber egal, ob es ein Votum für den harten Brexit gibt oder nicht: Ich habe ein Grundvertrauen in meine geliebten Engländer, dass sie das, was sie entschieden haben, geordnet bewältigen können.

Welche Fragen oder Sorgen beschäftigen Ihre Schüler?

Bergau: Brexit ist Thema, aber weniger unter strategischen und rechtlichen Gesichtspunkten. Sie fragen sich vielmehr, warum die Briten den Ausstieg wollten und wie die Folgen uns als MEG betreffen. England bleibt ein renommierter Partner, vor allem in kultureller Hinsicht. Das hört mit einem Brexit nicht auf und das ist gut so. Die Schüler wollen auch in Zukunft die Sprache erlernen. Es wird weiter den Begegnungsaustausch geben wie bisher. Ebenso unsere Betriebspraktika als bilinguale Schule.

Wie würde sich die Abkehr der Briten von der EU auf Ihre Austausch-Arbeit auswirken?

Bergau: Es wird nicht viel schwieriger werden. Wir müssen kein Visum beantragen. Es handelt sich ja nur um Kurzaufenthalte. Und den Pass mussten wir bei der Einreise bisher auch vorzeigen. Das verschärft sich nicht. Möglicherweise müssen wir vor den Fahrten andere  Einreisepapiere ausfüllen, wie in den 80er Jahren. Das einzige, was sich verschärfen wird, ist, dass man an den Einreisestationen, ob in Dover oder Heathrow, länger warten muss.

Sind die nächsten Fahrten bereits geplant?

Bergau: Ja, im September steht die Englandfahrt unserer bilingualen Schüler aus Stufe 8 an. Und Anfang Oktober folgt das zweiwöchige Betriebspraktikum der Oberstufenschüler. Die Kontakte zu den Gastfamilien übernimmt eine Kollegin. Sie organisiert das auf persönlicher Basis.

Machen Sie sich Sorgen um Europas Zukunft?

Bergau: Ich bin kein europäischer Bürokrat und kein bürokratischer Europäer. Ich engagiere mich für aus moralischer Perspektive, aus einer auch historisch begründeten Werteskala heraus. Europa ist ein fundamentaler Wert an sich, die Kernzelle von Frieden, Sicherheit, Stabilität, Austausch, gegenseitigem Respekt und Frieden. Diese Werte lohnt es zu bewahren.  Dieses Europa soll ja, so wollten es einst seine Gründerväter, für eine Einheit in Vielfalt stehen.