Justiz: Teufelskreis Haft und Abschiebung
Thomas K. ist auf dem Papier Ungar. Nach der Haft soll er wieder in das für ihn fremde Land.
Anrath. Nein, ein Unschuldslamm ist Thomas K. nicht. Und auch kein "Hauptmann von Köpenick". Zu oft ist der 33-Jährige mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.
Angefangen hat es 1996 mit der Fälschung eines Überweisungsträgers. Es folgten immer neue Betrügereien. Mehrfach wurde K. deshalb zu Gefängnisstrafen verurteilt, zuletzt im Oktober 2008. Drei Jahre Haft lautete das Urteil.
Das Berufungsgericht milderte dies im Januar auf zwei Jahre und zehn Monate. Und berücksichtigte dabei einen Teufelskreis, in dem Thomas K. steckt: Auf dem Papier ist er Ungar, geboren und aufgewachsen ist er in Deutschland. In dem einen Land ist er ein Fremder, das andere schickt ihn vor die Tür.
"Ich war jung und blöd", blickt Thomas K. auf den Anfang seiner kriminellen "Karriere" zurück. In Krefeld groß geworden, legte er sich schon in der Schule mit Autoritätspersonen an. Intelligent, aber eigenbrötlerisch habe es ihm an sozialer Reife gefehlt, sagt er.
Nach dem Scheitern in der Realschule folgte das Scheitern im Beruf. Es kamen die ersten Straftaten, das schnelle Geld lockte. Auch milde Strafen änderten daran nichts.
Da wurden Mobiltelefone und Computerzubehör im Auktionsportal Ebay angeboten, die K. gar nicht besaß. Oder aber Waren bestellt und nicht bezahlt, dafür aber weiter verkauft. Eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wurde ihm aufgebrummt. "Das war verdient. Aber was danach geschah, war falsch", sagt der Häftling der Justizvollzugsanstalt in Anrath.
Für die deutschen Behörden war Thomas K. ein krimineller Ausländer, der eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung darstellt. 2000 wurde er deshalb aus der Haft nach Ungarn abgeschoben. In das Land seiner verstorbenen Eltern. Doch er selbst spricht kein Ungarisch, kennt niemanden dort, besaß auch keinen ungarischen Pass. Noch nicht einmal ein Hotelzimmer konnte er so bekommen.
Der Krefelder kehrte illegal nach Deutschland zurück, wurde erneut in die JVA Willich gesteckt und nach zwei Dritteln seiner Haft abgeschoben. Noch am selben Tag reiste er zurück nach Deutschland. Offiziell arbeiten durfte er hier nicht, Sozialleistungen nicht beantragen. "Ich habe mich mit Betrügereien über Wasser gehalten. Alle drei Monate habe ich die Wohnung gewechselt", berichtet K..
Doch irgendwann wurde er aufgegriffen, landete wieder im Gefängnis, wurde wieder abgeschoben. Ein Teufelskreis. Im Moment verbüßt er gerade die Strafe, die im Januar gegen ihn verhängt wurde. Und wieder hat der Kreis Viersen als zuständiges Ausländeramt die (vierte) Abschiebung angeordnet.
"Die wird auch vollstreckt", kündigt ein Behördensprecher an - und verweist zur Begründung auf Lebenslauf und Paragrafen. Auch Günter Danek vom Förderkreis Gefangenenhilfe kann wenig Hoffnung machen: "Das Gesetz sieht die Abschiebung vor."
Und jetzt? Thomas K. hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, den Teufelskreis durchbrechen zu können. Seine Schwester unterstützt ihn dabei, ebenso seine langjährige Verlobte. "Wenn man ihn resozialisieren will, darf er auf keinen Fall abgeschoben werden", sagt sie und verweist darauf, dass sich Thomas K. in der Haft zum IT-Systemelektroniker fortgebildet und ein Studium begonnen habe.
Eingaben und Petitionen werden geschrieben, sogar an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte hat sich das Paar gewandt. Aber auch wenn es einige zarte Andeutungen hochkarätiger Juristen gab, wonach durchaus Chancen für K. bestehen, in Deutschland bleiben zu können: Dem 33-Jährigen rennt die Zeit davon. Denn das Abschiebungsverfahren läuft unerbittlich weiter.
Ohne Arbeit keine Papiere, ohne Papiere keine Arbeit. Das war der Teufelskreis des Wilhelm Voigt, der als Hauptmann von Köpenick berühmt wurde. Vielleicht ist Thomas K. ja doch nicht so weit davon entfernt.