Leistungssport mit einem Lächeln
Zwei Weltmeisterinnen aus Willich trainieren nun den Nachwuchs zu höchster Turnakrobatik auf Pferderücken.
Willich. Extra-Streicheleinheiten für Dainty Dancer. Der elfjährige Hannoveraner hat seine Sache gut gemacht. Geduldig, ausdauernd, gelassen. Das macht ein Voltigierpferd aus. An der Longe von Sophie Haselhoff hat er in der Reithalle in Willich-Hardt seine Runden gedreht, egal, wer gerade auf seinem Rücken saß, stand, turnte oder lag. Wer sich bewegt, ist in der kalten Reithalle klar im Vorteil. Wintertraining für die M-Gruppe im Voltigierzentrum Meerbusch.
Zehn Mädchen in dünnen Gymnastikanzügen und Turnschläppchen machen an diesem Trainingsabend aber nicht den Eindruck, dass sie frieren, während sie die Positionen für ihre 2015er Kür auf einem Bock probieren. Und Anna Blum ist die Kälte gewohnt. Die Willicherin ist 2012 als Trainerin zu der M-Gruppe dazugestoßen und unterstützt seitdem ihre Schwester Sophie, die seit acht Jahren dabei ist. Die Schwestern verbindet die Liebe zum Voltigiersport, in dem sie es selbst als aktive Sportlerinnen zu Weltmeistertiteln gebracht haben.
„Füße in die Schlaufen“, ruft Anna Sara zu, die in der sogenannten Kürposition „Unterfrau“ wie eine Reiterin auf Dainty sitzt. Sie soll Paula, wenn auch die Jüngste und Zierlichste im Team, über ihren Körper heben. Positionen, die auf dem Bock im Stand, sozusagen ohne Ruckeln und Wackeln geübt wurden, werden nun auf den Pferderücken übertragen — fließend, geschmeidig, wie die Bewegung und das Tempo von Dainty.
Da muss die Haltung stimmen und darf die Anmut nicht verloren gehen. Ein eleganter Stand-Spagat soll eben nicht so aussehen, als sei die Figur harte Arbeit. Leistungssport mit einem Lächeln.
Rebekka hat ihre Übung gut umgesetzt. Die 14-jährige Willicherin ist — wie die neunjährige Paula aus Brüggen — neu ins Team gekommen. Sie voltigiert seit 2009. „Ich mag den Sport, weil er turnerische, akrobatische und tänzerische Übungen enthält, man diese aber mit einem Pferd und häufig auch mit einer Mannschaft macht.“
Gerade dieser Teamgeist hat auch Anna Blum, Jahrgang 1982, immer beflügelt. „Unser Opa hatte ein Pferd in Neuss. Während meine Mutter dort im Stall ritt, haben wir Kinder voltigiert.“ Es war ein verspielter Einstieg in den Sport. Mit dem Aufstieg in die 1. Mannschaft wurde aus dem Spaß auch Leistungssport. „Wir haben drei- bis viermal in der Woche trainiert, die Sommerferien durch. Das war eine intensive Zeit“, sagt Anna Blum. „Das Team hat getragen.“
Und die Erfolge. 1993 Vize-Europameister-Titel, 1994 Vize-Weltmeister in Den Haag, 1996 dann der erste WM-Titel in Ungarn, 1998 sogar ein zweiter in Rom. Heute betreuen die Schwestern den ambitionierten Nachwuchs. Ihr Team trainiert Kraft und Ausdauer, „quält“ sich durch das Turntraining und feilt an Ablauf, Anmut und Ausdruck der neuen Vier-Minuten-Kür, die in eine erfolgreiche Turniersaison ab Ende April führen soll.
Kurze Verschnaufpause. Sophie Haselhoff wirft Dainty eine Decke über. Seine Bedeutung für ihren Sport wissen sowohl die Trainerinnen als auch die Mädchen zu schätzen. Im Voltigiersport äußert sich das auch darin, dass die Pferde eine eigene Wertnote auf Turnieren bekommen. Diese Pferdenote entscheidet oft über Sieg und Niederlage. Und deshalb gibt es selbstverständlich, nachdem sie auf seinem Rücken vom Hals bis zur Kruppe ihre Übungen gemacht haben, von den Mädchen anerkennende Streicheleinheiten für ihren verwöhnten Tanzpartner auf vier Hufen.