Ratgeberin mit Schweigepflicht
Seit März ist Tanja Bruckes (24) als Schulsozialarbeiterin an der Realschule Leonardo-da-Vinci und fühlt sich wohl im Job.
St. Tönis. „Knolle E“ ist ihr Revier. „Die Treppenhäuser heißen hier so“, erklärt Tanja Bruckes sogleich und lacht. In Raum E 109, im ersten Stock des Schulzentrums Corneliusfeld, ist ihr Büro. Es ist ein ehemaliger Fachraum, in dem die Realschule Leonardo-da-Vinci nicht mehr unterrichten lässt. Und damit Schüler, die mit Kummer, Fragen oder Anregungen zu ihr kommen, den Raum nicht mit einem Klassenzimmer verwechseln, hat Tanja Bruckes die Holzwände mit bunten Postern überklebt, Blumen auf den Schreibtisch gestellt und der grünen Tafel mit Kreide eine Sprechblase verpasst: „Ich bin keine Tafel. Ich seh’ nur so aus!“
„Ich bin super zufrieden hier“, sagt Tanja Bruckes (24). Die Zeit des Fremdelns ist vorbei. Das Kollegium hat sie gut aufgenommen, viele Schüler erkennen sie bereits auf den Fluren. Weil sie im März mitten ins laufende Schuljahr hinein grätschte, hatte sich Tanja Bruckes für eine kurze Vorstellungstournee durch jede Klasse entschieden. „Die Kinder wissen nun, ich bin kein Lehrer. Als Schulsozialarbeiterin helfe ich bei den Anträgen zum Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung, wenn es beispielsweise um die Formulare für Mitgliedschaften in Vereinen geht oder um Zuschüsse für Klassenfahrten.“
Eigentlich wollte sie Sonderschullehrerin werden, sagt Bruckes. Doch nach dem Abi bekam sie nicht sofort einen Studienplatz. Aus heutiger Sicht war diese Zwangspause ein Glück: Nach Praktika und Urlaubsfahrten mit erwachsenen Behinderten sah Bruckes ihre berufliche Zukunft in der Sozialarbeit: „Ich werde nicht mein Leben lang auf ein Arbeitsfeld festgelegt sein.“
Während des Studiums arbeitete sie in Aachen in einer Beratungsstelle für benachteiligte Jugendliche. „Dieses Praktikum im tollen Team war eine richtig gute Schule für mich“, sagt Bruckes. Als Mädchen vom Lande hat sie noch keine der Schattenseiten erlebt, die ihr dort täglich begegneten: Jugendliche ohne Arbeit, ohne Ausbildung, ohne Wohnung, drogenabhängig. „Seitdem“, sagt Tanja Bruckes, „weiß ich genau, wie gut es mir geht.“
Es gibt Tage, an denen Schüler in den Pausen vor ihrem Büro in Knolle E anstehen. „Viele Jüngere kommen, um zu erzählen, dass sie geärgert wurden. Manche weinen erst und erzählen dann, warum.“ Wichtig sei ihnen, dass das, was sie mit Tanja Bruckes bereden, auch im Raum bleibt. Eine Selbstverständlichkeit für die junge Ratgeberin: „Ich habe Schweigepflicht.“ Wenn sie selbst mal nicht weiter weiß, greift Tanja Bruckes zum Telefon: „Frederik Bovendeerd, meinen Kollegen an der Hauptschule, kann ich immer anrufen. Das ist eine Riesenunterstützung für mich.“