Interview Hoffnung auf einen Sommer voller Freude
Neersen · Nach aktuellem Stand gibt es keine Absage der Schlossfestspiele. Mit der Willicher Politik werde man, wenn nötig, verantwortungsvoll entscheiden, so Intendant Jan Bodinus.
Vor ein paar Tagen lag der Schlossfestspiel-Flyer im Briefkasten. In den Jahren zuvor eine Selbstverständlichkeit. Es war die ausgepackte Vorfreude auf die neue Saison in Neersen, auf den Beginn der Proben in absehbarer Zeit.
2020 ist alles anders. In der WZ-Redaktion denken wir zurzeit auch an das Ensemble, an die Kulturschaffenden, die in den zig Frühsommern zuvor aus allen Himmelsrichtungen an den Niederrhein reisten und sich privat in Willich und Umgebung einquartierten, um gemeinsam in die Vorbereitung der Spielzeit zu starten. Und in kreativ geladene Monate, in denen das Geld für die Kunst auch verlässlich auf dem Konto landete. Und diesmal? Was wird? Wie geht es Intendant Jan Bodinus und seinen Team-Mitgliedern zurzeit?
Verschiedene Szenarien
werden erarbeitet
Wir haben die Fragen an ihn weitergeleitet. Und er hat Folgendes geantwortet: „Erst einmal möchte ich allen Wilicher Bürgerinnen und Bürgern viel Kraft wünschen, diese Krise gesund zu überstehen. Zusammen können wir es schaffen“, ist Bodinus überzeugt: „Es werden wieder frohe und gesunde Zeiten kommen!“ Im Moment stehe er als Intendant der Schlossfestspiele in regem Austausch mit Bürgermeister Josef Heyes, den Kulturschaffenden der Stadt und dem Theaterverein. „Wir arbeiten an verschiedenen Szenarien, je nachdem, wie sich die Situation entwickelt. Stand heute gibt es keine Absage der Festspiele.“
Eine Absage wäre „für uns alle eine riesengroße künstlerische Enttäuschung“. Und, betont Bodinus, „für so manchen natürlich auch eine erhebliche finanzielle Belastung. Dennoch sind wir uns der gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werden im besten Sinne für die Gemeinschaft und die Region Willich entscheiden.“
Noch sei es nicht soweit, schreibt der Intendant, „so ist ja zum Beispiel die Öffnung der Schulen für den Zeitraum nach Ostern geplant, sollte die Situation sich entspannen. So lange dieses Szenario beibehalten wird, arbeiten wir alle täglich hart daran, die Festspielsaison pünktlich eröffnen zu können“.
Und wie geht es den Schauspielern und der Crew der Neersener Schlossfestspiele im Hintergrund, die das Ensemble erst komplett machen? Welche Reaktionen erlebt er? Bodinus: „Vielen Schauspielerinnen und Schauspielern, aber auch vielen bei uns tätigen Musikern und Veranstaltungstechnikern, sind bereits viele Aufträge storniert worden. Dies bedeutet für uns freie Selbstständige, dass eine schwierige Zeit begonnen hat, von der wir alle hoffen, dass sie schnell vorbeigeht.“
Die Nähe des Intendanten zum Spielort, für den er seit 2015 verantwortlich ist, zeigt sich in den nächsten Zeilen: „Wir als Ensemble der Festspiele denken ganz fest an die Menschen hier in Willich und wünschen allen beste Gesundheit. Wir stehen Hand in Hand und hoffen, dass bald ein unbeschwerter Sommer voller Freude auf uns zukommt.“
Gleichwohl werde man zusammen mit der Willicher Politik „verantwortungsvoll entscheiden, sollte dies nötig werden. Hierbei wissen wir, dass wir uns voll auf die Unterstützung der Verantwortlichen in der Kulturpolitik und auch auf Ihr Wohlwollen, auf die Liebe unserer Zuschauerinnen und Zuschauer verlassen können“, so der Intendant.
„Traum und Wahrheit“ ist der
Titel für die Spielzeit 2020
2019 war eine neuerliche Rekordsaison der Festspiele. Der Festspielverein konnte das Rekord-Ergebnis von 2018 mit 26 798 Zuschauern in 72 Veranstaltungen leicht toppen: Bei ebenfalls 72 Terminen wurden in diesem Sommer am Schloss 26 853 Gäste begrüßt. Das entspricht einer Auslastung von 89,6 Prozent.
„Ich bin glücklich und zufrieden. Das ist ein exorbitanter Erfolg“, sagte Intendant Jan Bodinus bei der Abschluss-Pressekonferenz und freute sich auf die nächsten Spiele. Die Freilichtbühne am Neersener Schloss geht in das 37. Jahr.
Die neue, für den Sommer 2020 geplante Spielzeit hat Bodinus mit „Traum und Wahrheit“ überschreiben. „Die meisten Menschen leben in ihrer realen, täglichen Welt mit ihren realen, alltäglichen Sorgen und Freuden. Und dann gibt es noch die Welt der Träume: der Lebensträume, der möglichen Ziele und Wege und der nächtlichen, irreal wirkenden Traumwelt.“
Im „Sommernachtstraum“ von William Shakespeare scheinen sich, so hat Bodinus sein zusammengestelltes Programm anmoderiert, „diese Welten auf wundersame Weise zu vermischen. Mich interessiert die Frage: Wo hört die Realität auf, wo beginnt der Traum? Wo macht sich der Mensch etwas vor und träumt sich sein Leben, wo ist er Realist, wo tanzt er auf der Schwelle zur Illusion? Spannende Fragen, die auch für die anderen Stücke der Saison gelten.“
Komödie „Floh im Ohr“
mit Kalle Pohl geplant
Im Angesicht der Coronakrise bekommen die Sätze einen anderen Klang. Und setzen zugleich die Hoffnung frei, dass der kommende Sommer eine Verschnaufpause verheißt nach sorgenvollen Wochen. Wie schön wäre es, wenn Bodinus und Kalle Pohl ihrem Publikum diesen Floh schon jetzt ins Ohr setzen könnten. Jetzt, wo die „rasante Komödie“ nicht so selbstverständlich gespielt werden wird, wie es der rote Flyer ankündigt.