Starkes Ergebnis Dankbar für ein treues Publikum
Die Neersener Schlossfestspiele blicken auf eine erfolgreiche Spielzeit 2022 zurück. Vertrag mit Intendant Jan Bodinus bis 2028 verlängert.
Neersen. Nur glückliche Gesichter waren bei den Verantwortlichen der Schlossfestspiele Neersen angesichts der am Sonntag abgelaufenen Spielzeit zu erkennen. „Zufrieden und dankbar“, so fasste die Vorsitzende des Festspielvereins, Sabine Mroch, ihre Gefühle angesichts der vergangenen Festspielwochen zusammen.
Insgesamt 22601 Zuschauer seien ein erfreuliches Ergebnis, waren sich Mroch und Festspielintendant Jan Bodinus einig. Das sei in Zeiten von Corona und drohenden Energiepreiserhöhungen „extrem viel - ein sehr guter Durchschnitt“, unterstrich Bodinus. Große Stadttheater verzeichneten aktuell an die vierzig Prozent weniger Zuschauer. In Neersen blieben insgesamt nur knapp ein Drittel der Plätze frei. „Die Menschen sind sehr dankbar“, so Mroch. Und Theaterkultur so extrem wichtig, ergänzte Bodinus. „Dafür sind die Festspiele Garant.“
Ein „extrem guter Zuschauerschnitt“
Der „Superverkäufer“ unter den Stücken sei das Kinderstück „Alice im Wunderland“ — mit insgesamt 8467 belegten Plätzen bei 25 Aufführungen. „Ich fand es diesmal ganz toll“, verwies Sabine Mroch auf das kreative Bühnenbild. Auch „Loriot“ habe 4372 Zuschauer angelockt, eine Sitz-Auslastung von 81,1 Prozent gebracht. Und bei „Brandheiß“ (5779 Zuschauer bei 19 Aufführungen) hätten viele bei dieser Mischung aus Boulevard und Poledance „noch nie in drei Jahren so viel gelacht“, so Bodinus. „Das hat den Leuten gutgetan.“
Lediglich bei „Gott“ mit 1336 Besuchern — knapp 39 Prozent der Kapazität - habe es relativ wenig Besucher gegeben. „Aber das war auch anspruchsvoll“, und so zu erwarten gewesen, sagte Bodinus. „Man weiß, dass das eher wenig beliebt ist, da braucht es einen ausgewogenen Gesamtspielplan“, den man stark im Voraus planen müsse. Bereut habe er das Experiment nicht. „Viele sagten, sie hätten so etwas Außergewöhnliches nicht gesehen.“ Und wertvoll sei gewesen, dass sich auch Jüngere, aber im Schwerpunkt ältere Menschen mit dem Thema, wie man in Menschenwürde sterben würde, auseinandersetzen wollten, ergänzte Mroch. „Wir leisten uns das, weil wir uns das leisten wollen.“
Eine Absage wegen des Neersener Schützenfestes
Dankbar zeigte sich Mroch auch über das Wetter der Festspiele. Lediglich bei „Alice im Wunderland“ habe es einmal einen schrecklichen Regen gegeben — und den lokalen Sturm bei der Aufführung von „Brandheiß“, wo man sich mit Bürgermeister Christian Pakusch, der vor Ort war, auf eine Verschiebung um eine Dreiviertelstunde geeinigt hatte. Die Gäste habe man über den Ratssaal bis zum Schlosskeller verteilt und so die Aufführung gerettet. „Das war eine tolle Zusammenarbeit mit der Stadt“, unterstrich Intendant Jan Bodinus.
Lediglich am 1. Juli habe man „Brandheiß“ kurzfristig absagen müssen, weil man angesichts des Neersener Schützenfestes mit der Rockband als Begleitelement „den Rückzug angetreten“ habe. Auch wenn es sehr kurzfrisitg gewesen sei, habe man das für das Brauchtum gerne getan. Und die 275 Gäste seien überwiegend verständnisvoll gewesen, seien auf andere Termine verlegt worden oder hätten an der Kasse ihr Geld zurückerhalten.
Viel Verständnis habe es auch gegeben, als Chris Pichler alias „Sissi“ ausfiel oder das Ensemble der Burgfestspiele Mayen wegen einer Coronawelle „Shakespeares gesammelte Werke - leicht gekürzt“ nicht aufführen konnte. Dafür sprang Stefan Keim mit seinem Programm „„Ritter, Reime und Romanzen“ als „Heinz Ehrhardt“ ein.
Als positiv bewerteten Mroch und Bodinus die „kleinen“ Vorstellungen im Ratssaal und die von Christine Czar organisierten Gartenlesungen. Wie die Lesungen ausverkauft waren auch der Opern-und Operettenabend oder Alan Parker als „Udo Jürgens“. Auch „Miss Daisy und ihr Chauffeur“, der „Frauenbilder“-Abend oder der „Kidzclub“ als „Geschenk an Willich mit den vielen Eltern und Kindern“ seien gut gelaufen. Und den „Poetry Slam“ mit Künstlern aus der Umgebung soll es 2023 wieder geben.
Im kommenden Jahr, so Mroch, werde man Traversen von Wand zu Wand ziehen und damit für die Vorstellungen im Saal wieder das Halbrund-Ambiente gestalten können, was auch „ein Gemeinschaftsgefühl schafft.“ Die Längsbestuhlung habe dazu geführt, dass man bei Stücken wie „Miss Daisy“ ab Reihe 13 „nur noch Hörspiel“ hatte und man mit Bildschirmen improvisieren musste. Thorsten Tümp habe die technische Lösung geschaffen, auch die Finanzierung steht.
Neben den positiven Zahlen und Eindrücken hatte Sabine Mroch noch eine weitere gute Nachricht zu verkünden. „Wir hatten Vorstandssitzung letzte Woche und uns darauf geeinigt, dass er es bis 2028 machen soll.“ Gemeint war damit Intendant Jan Bodinus, der seit acht Jahren „Seit an Seit“ mit Mroch im Rahmen der Schlossfestspiele wirkt. Sein Vertrag wäre sonst im kommenden Jahr ausgelaufen. „Das hat er gern, wenn er weiter gucken kann als ein Jahr. Und so hat er für fünf Jahre unterschrieben.“
Bodinus soll in Neersen bis 2028 als Intendant wirken
Die Gründe lägen auf der Hand, so Mroch. „Das hat mit gegenseitiger Zufriedenheit und mit Wertschätzung zu tun. Und das macht uns sehr glücklich.“ Zum einen sei es so, dass, „wenn die Beziehungsebene funktioniert, auch die Arbeitsebene funktioniert, wenn man sich leiden kann.“ Man könne so offen über Dinge sprechen, dass man „fürs Sagen kein Papier drum wickeln“ müsse.
Bodinus habe dazu „das Gespür für das, was das Publikum sehen möchte.“ Zugleich verbinde er das Ganze „mit künstlerischem Anspruch, das hat Qualität. Und er hat so viel Pragmatismus, dass uns der Etat nicht abrauscht.“ Dazu komme seine Fähigkeit, ein Ensemble „menschlich und offen“ zu führen. Das mache ihr auch „Lust“, sich in ihrem Amt weiter neu wählen zu lassen.
Mroch sei seine „erste Ansprechpartnerin“, beide in gleichem Maße „kritikfähig, was eine super Grundlage für eine Zusammenarbeit“ sei, nahm Bodinus den Ball auf. Neersen für ihn zur „zweiten Heimat geworden, ganz klar“, sagte der in Berlin wohnende Intendant. „Ich werde so angenommen, wie ich bin, fühle mich so zu Hause, dass ich mir den Sommer ohne Neersen nicht vorstellen kann.“
Viel künstlerisches und persönliches Vertrauen
Es seien vor Ort Freundschaften entstanden, es bestehe „so viel künstlerisches und persönliches Vertrauen“ - und er könne sich mit seinen künstlerischen Visionen ausbreiten. Dabei werde er immer denjenigen vorziehen, „wenn er was menschlich beitragen kann.“ Das sei sein Credo: „Wir wollen zwischenmenschlich miteinander sein. Das ist eine ganz wichtige, atmosphärische Sache.“
Dass es „familiär und menschlich zugeht“ in Neersen, liege in dem großen Vorteil der „Kleinheit“, ergänzte Regieassistentin Christine Czar. Sie trage durch ihr Pausen- und Proben-Catering bei den Schauspielern und den Stücken dazu bei, sagte Mronz. Auch die Abschiedsabende mit Catering und Dankeschön-Präsenten für die Akteure seien so „Neersen-typische Sachen.“ Man achte auf den „Wohlfühleffekt“, habe erstmals in dieser Saison auch vor Ort für die Akteure zwei Hoteletagen gemietet. „Mal sehen, ob wir das 2023 wieder machen.“
Das gute Klima habe sicher auch dazu beigetragen, so Bodinus, dass man, als es eine Kollegin mit ihren neun Rollen bei „Loriot“ in der letzten Woche mit Corona erwischte, „alle herbeirufen“ und die Rollen aufeinander verteilen konnte. „Wir haben hier so viele Superprofis“, lächelte Bodinus. Selbst durfte er nach zwanzig Jahren Abwesenheit „mit Stöckelschuhen und Perücke als TV-Ansagerin“ erstmals überhaupt wieder auf die Bühne. Es sei allerdings schwer gewesen, für die Pumps die richtigen Männergrößen zu finden, ergänzte Sabine Mronz mit einem Schmunzeln.