Schwerer Stahl in leicht ironischem Gewand
Der Bildhauer Sandro Antal zeigt ab Sonntag rund um Schloss Neersen sechs seiner Skulpturen.
Neersen. 1977 startete Sandro Antal seine Laufaktion oder seinen Pilgergang von Paris nach Kassel. Am Sonntag wird es der heute 74-jährige Künstler nicht so weit haben. Er braucht nur von Düsseldorf nach Neersen zu kommen, dort wird im Schlosspark eine Ausstellung mit sechs seiner Stahlskulpturen eröffnet. Kuratorin Jutta Saum, die am Sonntag um 11 Uhr auch die Einführung spricht, startete die Reihe „Theater trifft Skulptur“ im vergangenen Jahr mit Stein-Skulpturen. In diesem Jahr folgt der zweite Akt: Werke aus Stahl. Dafür hat sie den bekannten Düsseldorfer Bildhauer Sandro Antal, ein gebürtiger Ungar aus Budapest, gewinnen können.
„Theater trifft Skulptur“ heißt die Reihe, weil sie die Chance bietet, dass Besucher der Schlossfestspiele vor der Aufführung oder in der Pause rund um das Schloss „lustwandeln“ und dabei auf Skulpturen treffen. Das Kulturteam erinnert damit auch an den Skulpturenpark im gesamten Schlossgarten, der 1994 gestartet wurde. Für Sandro Antal dürfte Theater auch ganz persönlich eine starke Verbindung bedeuten, denn der Künstler ist für vielerlei Performances bekannt. So kämpfte er im Boxring gegen sein Spiegelbild, oder er versuchte bei seinen „Ich-Hebungen“ das Brett, auf dem er stand, mit einem Joch und zwei Seilen hochzuheben.
Schwer waren auch die sechs Skulpturen, die jetzt rund ums Schloss aufgestellt wurden. Die Schwere des Materials Stahl wird in vielen seiner Arbeiten scheinbar aufgehoben. „Gib mir einen Punkt“ sind zwei Arbeiten benannt, bei denen zwei oder drei Kuben übereinander angeordnet sind, aber sich nur an kleinen Punkten berühren. Eine fragile Balance aus schweren Körpern und schwebender Leichtigkeit entsteht und lässt den Betrachter staunen. „Gib mir einen Punkt“ ist dabei eine Anspielung auf Archimedes’ Ausspruch „Gebt mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln“. Der antike Mathematiker ist Begründer der Lehre der Mechanik.
Der Punkt, mit dem Antal das künstlerische Universum aus den Angeln hebt, ist der Werkstoff Stahl. Der junge Antal ist zum Schildermaler und Grafik-Designer ausgebildet. Nach seiner Flucht aus Ungarn studierte er 1974 bei Klaus Rinke an der Düsseldorfer Kunstakademie Bildhauerei. Dort entdeckte er durch die Nähe zum Ruhrgebiet mit seiner Tradition der Schwerindustrie das Material Stahl, das schwer zu bearbeiten ist.
Für solche Arbeiten, in der Regel zwischen 150 und 200 Kilo schwer, braucht der Bildhauer viel Kraft und noch mehr Know-how, aber auch Platz und Maschinen. Das „Künstliche“ des Materials Stahl steht im Kontrast mit der Natur rund um Schloss Neersen — wobei sich das Werk „Die ruhige Kugel auf der langen Bank“ wunderbar harmonisch in die Umgebung einfügt. So selbstironisch der Künstler mit den Redewendungen umgeht, so spektakulär ist die Verbindung der großen silbernen Kugel auf dem schmalen Grat eines Balkens. Die „Ruhe“ erscheint auf dem Punkt vor der Gefahr eines „Absturzes“ eingefroren, andererseits weiß der Betrachter, dass alles gut justiert und befestigt ist.
Die Beweglichkeit ist nur vorgetäuscht. In „Über Düsseldorf“ ist Bewegung eingefroren. Die rote Scheibe steht für die untergehende Sonne, die Stahlstele für einen Schornstein. Den Lauf der Sonne hat Antal im „Table Dance“ eingefangen. „Trophäe“ sind neu verbundene Ensembles alter Industrieteile, die an Stierhörner oder Hirschgeweihe erinnern. hb