Singgemeinschaft: Probe fürs letzte Konzert
Nach 127 Jahren ist die Geschichte der Singgemeinschaft St. Tönis zu Ende.
St. Tönis. Die Remise des Mertenshofs in St. Tönis ist erfüllt von kraftvollem Gesang. Die Singgemeinschaft St. Tönis 1885 hat den Sängermarsch „Frei weg“ angestimmt. Doch von der Fröhlichkeit, von der der Chor singt, ist bei den 22 Sängern nichts zu sehen.
Wehmut liegt in den Blicken, denn es ist eine der letzten Proben. Nach 127 Jahren geht die Ära der Singgemeinschaft zu Ende. Die Proben dienen nur noch dem Abschiedskonzert am 6. Mai. „Beim Hundertjährigen vor 27 Jahren waren wir noch weit über 40 Sänger. Heute sind wir eigentlich nur noch elf“, sagt Jürgen Gysbers, erster Vorsitzenden des Männergesangsvereins.
Denn einige Sänger wollten altersbedingt schon aufhören. Aber aus Treue und Liebe zur Musik haben sie sich bereiterklärt, bis zum Abschiedskonzert zu bleiben.
Der Alterdurchschnitt liegt bei 73 Jahren, der Jüngste ist knapp 60, der Älteste fast 80 Jahre alt. Die meisten von ihnen sind 50 Jahre oder noch länger aktiv. Wie Gysbers, der selbst seit 1957 mitsingt. „Mein Vater war schon in diesem Männergesangsverein. Wir waren damals eine Clique von 13 jungen Leuten, die mit den älteren Männern gemeinsam sangen“, erinnert sich der Vorsitzende.
Was damals so hervorragend funktionierte und für ausreichend Nachwuchs sorgte, klappt nicht mehr. „Wir bekommen keinen Nachwuchs. Wir haben so vieles ausprobiert, es funktioniert nicht“, sagt Schriftführer Karl-Heinz Klaaßen, der im nächsten Jahr seine 55-jährige Mitgliedschaft erreichen würde. Doch dann gibt es die Singgemeinschaft nicht mehr.
Innerhalb des Vereins ist lange überlegt worden, aber die Männer sehen keine andere Möglichkeit mehr. Der fehlende Nachwuchs bringt nämlich noch ein weiteres Problem mit sich. „Wir können die Kosten für unseren Chorleiter mit so wenigen Mitgliedern nicht mehr tragen. Wir müssten den Mitgliedsbeitrag verdreifachen“, erklärt Gysbers.
Bei den letzten Proben vor dem Abschiedskonzert kommen Erinnerungen hoch. Die Singgemeinschaft war immer aktiv. Dazu gehörten unter anderem Konzerte, gemeinsame Fahrten, der Besuch von befreundeten Gesangsvereinen und die Teilnahme an Wettbewerben.
„Es ist eine Veränderung im Rhythmus. Seit Jahrzehnten gehe ich jeden Dienstag zur Probe. Wir singen ja nicht nur gemeinsam, es ist auch die Geselligkeit an sich. Es wird komisch werden“, sagt Manfred Klühs. Nicht nur ihm fällt es schwer, Abschied zu nehmen. Alle sind sich sicher, dass Tränchen beim Abschiedskonzert fallen werden.
„Ich bin ganz ehrlich, ich habe Angst vor dem Sonntag. Wenn wir zum Schluss ‘Danke an die Freunde‘ und ‘Dankeschön‘ singen werden, dann wissen wir alle, es ist wirklich das letzte Mal“, sagt Gysbers betrübt.