St. Tönis: Ärger um den Lärmschutz
Erst stimmte die Politik einer Eigeninitiative zu, jetzt rudert sie zurück.
St. Tönis. Wie "vor den Kopf geschlagen" - so fühlt sich Hans-Peter Buysch. Jahrelang habe er sich eingesetzt, gekämpft und schließlich eine Einigung erzielt - um jetzt festzustellen, dass sich die Politik nicht an frühere Zusagen gebunden fühlt.
Was ist passiert? Es geht um Lärm und Schutz gegen denselben. Ort ist der Südring zwischen Viersener- und Corneliusstraße.
Als die Anwohner der Kastanienallee in den 70er Jahren ihre Häuser an die Umgehung setzten, war das Verkehrsaufkommen noch recht gering, ein zwei Meter hoher Erdwall reichte damals gut aus, um den Krach vorbeifahrender Autos zu dämmen.
Im Laufe der Zeit sackte der Wall ein, das ist völlig normal, der Verkehr nahm dramatisch zu. Die Anwohner wandten sich an die Politik. Sie boten an, selbst tätig zu werden.
Die Politik in Form des Planungsausschusses nahm die Anregung auf, sagte schließlich sogar zu, dass die Anwohner selbst Lärmschutz bauen durften. Jeder für sich, die Höhe, Material und Form wurden vorgegeben und in Planungsrecht gegossen. Das sollte vergangenes Jahr endgültig in Kraft treten. Vier Meter hoch, aus rotem Ringstein. Nicht alle selbst gebauten Lärmschutzwälle an der Straße sehen so aus.
Dann der Kehrtschwenk: Die Politik entschied anders. Entweder alle oder keiner, die Verwaltung solle ausloten, ob die Anwohner dazu bereit seien, hieß es im September. Die Ergebnisse sollen in der Sitzung des Planungsausschusses nächste Woche Mittwoch besprochen werden.
In der Zwischenzeit sind die Anwohner angeschrieben und befragt worden, die meisten hätten kein Interesse bekundet, sich jetzt an einer Lärmschutzwand zu beteiligen, die in städtischer Regie errichtet wird. Also, so der Beschlussvorschlag, soll erstmal nichts geschehen.
Dabei haben einige Anwohner bereits auf die vor Jahren getroffene Aussage der Politik vertraut und in Eigenregie Lärmschutzmaßnahmen ergriffen. "Damals war sogar ein Lärmschutz-Sachverständiger da, der gesagt hat, dass jede Maßnahme besser ist, als der momentane Status", sagt Hans-Peter Buysch. Deshalb seien mögliche Lücken auch nicht als tragisch angesehen worden.
Was Buysch und andere Anwohner richtig ärgert: Der jetzige Verwaltungsvorschlag läuft auf eine Betonwand hinaus, die rund 1000 Euro pro laufendem Meter kostet. Bei einem 16 Meter breiten Grundstück rund 16.000 Euro, bedeutend mehr als der berühmte Pappenstiel. "Unsere Lösung wäre bedeutend billiger", sagt Buysch. Mit einiger Eigenleistung komme man glatt mit der Hälfte hin.
Das jetzige Argument, alle müssten sich einig sein, sei in Wirklichkeit keines. "Wie soll das gehen?", fragt der 70-Jährige. Und erklärt an einem Einzelfall auch warum: "Unter anderem leben dort zwei Menschen, die schwerhörig sind. Die haben logischerweise kein Interesse an einer Lärmschutzwand, die viel Geld kostet." Es gebe immer einen Grund, nicht mitzumachen. "Deshalb wollten wir ja, dass jeder anfangen kann. Dann können andere selbst beurteilen, wie gut das ist."
"Entweder müssen alle gleichzeitig zustimmen und bauen, oder der B-Plan wird zurückgestellt", sagt Kurt Viethen, Fachbereichsleitung der Stadtplanung. Er habe die Hoffnung, dass die Betroffenen die Initiative ergriffen. Aber: "Sollte die Politik doch noch zu einem anderen Entschluss kommen, könnten einzelne Anwohner schon im Sommer anfangen zu bauen."
Auf der anderen Seite hängt ein Damokles-Schwert über den Anwohnern: Noch ist nämlich nicht klar, ob bei der neuen Beschlusslage die Anwohner ihren Wall wieder abreißen müssten.
"Lärm beeinflusst das Leben stark", sagt Hans-Joachim Kremser, Vorsitzender des Planungsausschusses, auf WZ-Nachfrage. "Man sollte private Initiativen unterstützen und begleiten", fordert er.