Versorgungszukunft soll mit stationärer Reha-Pflege und Ärztehaus gelingen Aus für das St. Töniser Krankenhaus: Langzeit-Patient nicht mehr zu retten

St. Tönis · Pläne: Die Zukunft des Standortes soll mit einem Ärztehaus und einer größeren stationären Reha-Klinik für Geriatrie gelingen.

Schlechte Botschaft statt Bescherung: Der Krankenhausbetrieb in Tönisvorst wird zum 1.1.2021 eingestellt.  16 Tage vor dem endgültigen Ende, das für viele in der Stadt Tönisvorst nach vielen Gerüchten nicht mehr überraschend kam, machten Andreas Barthold (li.), Hauptgeschäftsführer der Alexianer, und Michael Wilke, Geschäftsführer der Alexianer Tönisvorst GmbH, die Nachricht öffentlich. In  Zukunft soll ein Ärztehaus am Standort die Versorgung sicherstellen.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Rodungsarbeiten haben Andreas Barthold, den Hauptgeschäftsführer der Alexianer, am Morgen auf seiner Autofahrt von Münster nach Tönisvorst behindert. Er kam zehn Minuten zu spät in den Antoniussaal, um dort dann mit Michael Wilke, dem Geschäftsführer der Alexianer Tönisvorst GmbH, einen Teil-Kahlschlag für die Hospitalstraße zu verkünden: „Zum 1.1.2021 wird der Krankenhausbetrieb in Tönisvorst eingestellt.“

Die stationäre Reha-Klinik für Geriatrie, das ambulante Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) und die Pflegeeinrichtungen (die Seniorenhäuser in St. Tönis und Vorst) bleiben „Bestandteil der Angebote“.

Nun also doch, kurz vor Ende des Jahres 2020, der öffentlich gezogene Schlussstrich, den nicht nur die gut informierten Kreise in der Stadt seit Monaten kommen sahen.

Leistungsträger haben das Haus längst verlassen. Der Rundum-Betrieb „24 Stunden an sieben Tagen“ war nicht mehr aufrechtzuerhalten. Chefarzt, drei Oberärzte und sieben Assistenzärzte waren einst tätig. Niemandem von ihnen muss mehr gekündigt werden.

Neues Ärzte-Personal fürs Krankenhaus wurde gesucht und nicht gefunden, sagt Wilke. Ohne entsprechende  Leistungsangebote sei es letztlich aussichtslos gewesen, qualifiziertes Krankenhaus-Fachpersonal in Tönisvorst zu besetzen. Seit Herbst habe man es als hoffnungslos ansehen müssen, diesen Standort weiter zu entwickeln. „Das Unmögliche ist nicht weiter aufrechtzuerhalten“, so Barthold.

Das Krankenhaus, für dessen Fortbestand vor zweieinhalb Jahrzehnten so hart durch die Tönisvorster gekämpft worden war, blieb ein Langzeit-Patient, der auch nach der Übernahme der Alexianer 2014 nicht mehr richtig auf die Beine kam. 

Der Erfolg, die Fachabteilung Chirurgie neben der Inneren (55 Betten) als Planabteilung mit sieben Betten installiert zu haben, war eine kurzfristige Beschwerdenlinderung.

Dass 2018 die Notaufnahme „als Herzstück eines jeden Krankenhauses aufgegeben werden“ musste, war ein Schlag ins Kontor. Wilke: „Das war ein durch eine bundeseinheitliche Vorgabe erzwungener Verzicht“, betont Wilke. Eine Einrichtung wie Tönisvorst konnte Voraussetzungen nicht erfüllen. Konsequenz war: „Von heute auf morgen hatten wir einen Rückgang an Patienten von rund 25 Prozent.“ Dem Krankenhaus Maria-Hilf Tönisvorst als kleinem Krankenhaus der Grundversorgung sei jede Chance auf Stabilisierung genommen worden.

2014 hatten die Alexianer das städtische Krankenhaus übernommen, das – 2020 ausgenommen – durchschnittlich 2800 Patienten im Jahr hatte. Schon damals war das Krankenhaus neben den anderen Einrichtungen das schwächste Glied in der Kette, sagt Wilke auf Nachfrage.

Bei der Übernahme vor sechs Jahren verpflichteten sich die Alexianer, den Krankenhausbetrieb und die Notfallversorgung bis 2020 aufrechtzuerhalten. Ist das jetzt Zufall? Oder auch noch eine durch die Corona-Pandemie verschärfte Punktlandung? Wilke wehrt sich gegen jeden Vorwurf, die Schließung des Krankenhauses jetzt sei bereits 2014 angestrebt worden. 

Den Kürzeren zogen die Alexianer in ihren Stärkungsbemühungen gegen Süchteln und Kempen, als es darum ging, ein geriatrisches Angebot oder ein psychologisches Angebot in der Stadt anzusiedeln. 

120 und damit ein Drittel aller 400 Mitarbeiter, arbeiteten im Krankenhaus, in Teil- und in Vollzeit. Wilke nennt keine Zahlen, aber einigen droht nun die Kündigung. So sei zum Beispiel die Trennung von der Abteilung Radiologie „unausweichlich“.

Das Gros der Mitarbeiter, die vor allem aus der Stadt kommen, hätte aber eine berufliche Perspektive, angedockt an die Reha- und die Altenpflege. 

Die Alexianer betonen nämlich, dass sie weiter zum Standort Tönisvorst und seinen Seniorenhäusern als feste Bestandteile ihrer Angebote stehen.  Zurzeit laufen Verhandlungen der Alexianer mit den Krankenkassen darüber, das Angebot der geriatrischen Reha-Klinik zu vergrößern. Wunsch seitens der Alexianer ist es, von aktuell  50 auf 70 Betten zu kommen. Mit einer Entscheidung dazu wird Mitte 2021 gerechnet. Wenn das nicht klappt, bleibe es bei den 50 Betten.

Wilke und Barthold setzen außerdem ihre Hoffnung auf das Medizinische Versorgungszentrum. Es wurde im April 2018 eröffnet und seitdem   im Erdgeschoss des Krankenhauses weiter entwickelt. Das MVZ soll als wohnortnahe Grundversorgung  die Zukunft sein und sie zugleich sichern. Es soll  über das Erdgeschoss hinaus der Sockel für ein Ärztehaus an der Hospitalstraße 2 sein.

Mediziner, die sich in dieser Innenstadt-Immobilie ansiedeln möchten, als Teil des MVZ oder aber auch als selbstständige Unternehmer, bieten die Alexianer sofort Gespräche an. Sogar eine Praxis über 500 Quadratmeter wäre machbar. Der Platz ist da.

Unter dem Dach des MVZ sind und werden die Fachrichtungen Neurologie, Psychologie,  Chirurgie und Orthopädie angeboten. Der orthopädische Sitz von Dr. Weber aus Willich wird zum 1. April 2021 nach Tönisvorst verlegt.  Eine Düsseldorfer Augenarztpraxis, die auch Operationen  im Haus vornehmen will,  wird laut Wilke als Mieter ab dem 1. Januar 2021 in St. Tönis angesiedelt sein.

Zwei bekannte Hausärzte der Stadt werden 2021 in Rente gehen, kündigt Wilke an. Für die Allgemeinmediziner Klaus Verstraeten und Friederike Üçer werden bereits Nachfolger gesucht. Ein schwieriges Unterfangen. Ausgang ungewiss.