Lesetipp aus Tönisvorst Buchtipp: „Ein schönes Ausländerkind“ von Toxische Pommes
Tönisvorst · Die Leiterin der Stadtbibliothek Tönisvorst gibt Lesetipps. Heute ist es das Buch „Ein schönes Ausländerkind“ (Zsolnay, 2024) der Newcomer-Autorin Toxische Pommes.
„Toxische Pommes“ nennt sich eine junge Wiener Autorin, die in der Corona-Zeit auf Instagram und Tiktok mit bitterbös-satirischen Kurzvideos Gesellschaftskritik übte und berühmt wurde. Mehrere hunderttausend Follower finden das gut. Jetzt hat Toxische Pommes, die auch als Autorin nur ihren Vornamen Irina preisgibt, ein Buch geschrieben und beweist, auch gut mit Sprache umgehen zu können: „Ein schönes Ausländerkind“, ein in autofiktionaler Form verfasster Roman über das Aufwachsen in einem fremden Land.
Die Eltern waren mit ihrer kleinen Tochter in den 1990er-Jahren vor dem Krieg auf dem Balkan aus Kroatien nach Österreich, nicht eben ein Einwanderungsland, geflohen. Sie waren Flüchtlinge, keine Asylanten, bekamen keine Arbeitserlaubnis und mussten damit rechnen, jederzeit abgeschoben zu werden.
Die Mutter, eine studierte Pharmazeutin, arbeitet als Putzhilfe und Mädchen für alles bei einer gut bürgerlichen Familie, die als Gegenleistung zwar eine Wohnung bereitstellt, dafür aber auch permanente Verfügbarkeit verlangt und manchmal sehr übergriffig in das Familienleben eingreift. Der Vater, eigentlich Schiffbauingenieur, wird mangels Arbeitserlaubnis zum Hausmann.
Die Ich-Erzählerin verinnerlicht schnell, dass sie die perfekte Migrantin werden muss, um nicht aufzufallen: Ein „schönes Ausländerkind“ halt. Im Kindergarten lernt sie schnell deutsch, bekommt in der Schule nur die besten Noten und bekommt sie einmal ein „gut“ anstatt eines „sehr gut“, ist sie enttäuscht. Sie lernt die Fallstricke der Integration kennen, muss besser sein als die Einheimischen. Trotz bester Noten erhält sie nur eine Hauptschulempfehlung.
Es gibt auch weitere Fallstricke: Zwar kümmert sich der Vater rührend um die Tochter, aber je besser sich diese integriert, desto mehr entfremdet sie sich von ihm. Sie spricht perfekt Deutsch, er nicht. Sie tritt in einen Schwimmverein ein, er verlässt kaum das Haus. Der Vater zieht sich komplett zurück, und als er auch noch das Internet für sich entdeckt, ist er kaum noch ansprechbar. „Je mehr ich mich in dieser Welt verwurzelte, desto mehr entwurzelte sich mein Vater aus allen anderen.“
Als sie ihn doch überreden kann, mit ihr zusammen an einem Eltern-Kind-Schwimmwettbewerb teilzunehmen und er zusagt, ist sie glücklich. Ist sie sich doch sicher, dass ihr sportlicher Vater besser ist als die anderen Eltern. Doch der Vater wird nur vierter. Wütend schreit ihn die Tochter an, er solle zurück nach Kroatien gehen. Fortan ist er die tragische Figur des Romans.
Dieser kurzweilige, kluge, herzerwärmende Roman erzählt nicht nur die Geschichte einer schwierigen Integration, sondern auch die einer innig-komplizierten Vater-Tochter-Beziehung. Das Buch ist ein Lesegenuss, weil die Autorin sich nicht in Selbstmitleid verliert und über Probleme der Integration lamentiert, sondern ehrlich und selbstironisch die Widrigkeiten und Enttäuschungen eines neuen Lebens beschreibt.