5 Jahre unterwegs Anrather reist fünf Jahre lang um die Welt

Anrath. · Holger Guse kündigte seinen Job, verkaufte sein Auto, kündigte seine Wohnung und brach auf. In Vorträgen berichtet er nun von seinen Erlebnissen.

Der Salkantay-Pass in Peru führte den Anrather Holger Guse in luftige Höhen, wo ihm dieses Foto gelang.

Foto: Holger Guse

Das flaue Gefühl im Magen bekommt Holger Guse in der Abflughalle. Am 17. Januar 2013 sitzt der Anrather am Düsseldorfer Flughafen, neben ihm liegen zwei Rucksäcke, im Kopf formiert sich ein Gedanke: Zum ersten Mal in seinem Erwachsenenleben hat er keinen Schlüssel dabei. Das Auto hat er verkauft und die Wohnung leer geräumt und aufgegeben. Sogar für seine Schallplattensammlung hat er einen neuen Besitzer gefunden. Als Guse in das Flugzeug nach Kathmandu steigt, liegen vor ihm fünf Jahre voller Abenteuer und Ungewissheit.

Heute ist Guse wieder zurück am Niederrhein. „Der Gedanke damals am Flughafen fühlte sich gut an“, erinnert sich der 50-Jährige. „Es fühlte sich nach Freiheit an. Es gab keine Verpflichtungen, und niemand konnte einem reinreden.“ Für ihn war es die Erfüllung eines Traums. Guse wurde 1968 in Anrath geboren, „als eines der letzten Kinder im alten Anrather Krankenhaus“, berichtet er. Sein Elternhaus befindet sich in der Siedlung hinter dem Sportplatz, in Schiefbahn spielte der Sohn Fußball. Mit 21 zog es ihn nach Bayern. Er arbeitete damals bei einer Krankenversicherung und ließ sich versetzen, erst an den Starnberger See, dann ins Allgäu. „Ich hatte die Berge vor der Tür“, schwärmt der
50-Jährige.

Wandertour durch die USA war der Startpunkt seines Abenteuers

Mit Freunden fuhr er auf dem Mountainbike über die Alpen, einmal sogar bis Venedig. Dann fiel ihm ein Buch in die Hände. Der Autor beschrieb darin seine Tour auf dem Continental Divide Trail, dem Hauptwasserscheide-Weg von der mexikanischen bis zur kanadischen Grenze. Guse kaufte Rucksack, Zelt und Schlafsack, brachte sich das Navigieren mit dem Kompass bei und flog nach Montana. In zwei Wochen lief er gut 300 Kilometer des insgesamt 5000 Kilometer langen Fernwanderwegs in den USA. Er sah keine Schilder und kaum Menschen, aber viel Natur, dazu Grizzly-Bären und Elche. „Das war supergut“, sagt Guse. „Für mich war es der Startpunkt.“

Nach einer weiteren Trekking-Tour in den Anden in Bolivien entschied er sich 2012, „das Ganze größer zu machen“, wie er sagt. Nach 25 Jahren kündigte er seinen gut bezahlten Job. „Das konnte nicht jeder verstehen“, sagt Guse. Kurz vor Weihnachten hatte er all seinen Besitz verkauft und zog in ein leerstehendes Zimmer im Haus seiner Schwester in Neersen, bevor er sich Mitte Januar mit einem One-Way-Ticket nach Nepal in der Hand auf Weltreise machte.

Guse wollte nicht einfach nur Länder auf einer Liste abhaken, sondern die Menschen und ihre Kulturen kennenlernen, die Wege abseits der Touristenpfade beschreiten. So suchte er sich an nahezu jedem Ort einen Job – Unterkunft und Verpflegung gegen Arbeit. Fünf Monate blieb er in Nepal, unterrichtete Englisch und Mathematik in Schulen und Waisenhäusern. In Indien lebte er mehrere Monate in einem abgelegenen Dorf im Himalaya, in Tansania machte Guse eine Safaritour durch die Serengeti, sah Büffel, Löwen, Krokodile und Elefanten. Geplant hatte er nichts davon, nach Indien ließ er sich treiben.

Mit einem Katamaran segelte Guse von Südafrika nach Australien, besuchte Neuseeland und reiste die Atlantikküste entlang durch Südamerika. Sein Handy hatte er zu Hause gelassen. Freunde und Verwandte hielt er mit seinem Internetblog auf dem Laufenden. Irgendwann musste er zurück, kurz vor Weihnachten 2017 war das. „Ich hätte weitergemacht“, sagt Guse. Die Ersparnisse hätten noch für ein Jahr gereicht. Aber er musste sich um sein Elternhaus kümmern. Über Schottland und Belgien reiste er zurück nach Willich, die letzte Etappe vom Hohen Venn bis Neersen lief er zu Fuß. „Ein Horror für meine Krankenkasse, die einen Nachweis darüber wollte, wann ich wo nach Deutschland eingereist bin“, sagt Guse und lacht.

Heute arbeitet er als Assistent eines gelähmten Mannes in Duisburg. Das Träumen hat er nicht aufgegeben: „Irgendwann würde ich den Continental Divide Trail gerne ganz ablaufen“, sagt er und
grinst.