Willich: „Hötte Marie“ auf der Spur
Fast zwölf Stunden lang ist die Chronik der Gaststätten von Alt-Willich. Verfasst hat sie Peter Wynands.
Willich. Der erste Willicher Wirt, über den Aufzeichnungen existieren, hieß Johann. Doch von dem weiß man nichts Genaues. Nur eben, dass "Johann der Wirt" schon 1496 in einer Abgabeliste des Kölner Domprobstes auftaucht.
"Solche Angaben nützen mir aber nichts, da über den genauen Standort seiner Gaststätte nichts zu erfahren ist", sagt Peter Wynands. Und solche Einzelheiten waren dem heute 61-Jährigen wichtig, als er vor knapp zwei Jahren damit begann, eine Chronik aller Alt-Willicher Gaststätten zu erstellen - eine Sisyphos-Arbeit.
3.000 Bilder und Dokumente trug der ehemalige Mitarbeiter des Willicher Ordnungsamtes in den zwei Jahren zusammen. Stunden, Tage, Wochen verbrachte er in diversen Archiven, vor allem in Kempen. "Zudem bin ich vielen Nachbarn von mittlerweile geschlossenen Gaststätten und ehemaligen Wirten auf den Wecker gefallen, um weitere Informationen zu bekommen", berichtet Wynands von seiner intensiven Recherchearbeit.
Die Mühe hat sich gelohnt: Immerhin 91 Willicher Gaststätten, die eine Konzession hatten oder haben, hat der an der Krefelder Straße geborene Alt-Willicher ermitteln können. "37davon gab es schon vor 100 Jahren, 20 davon existieren bis heute."
Wie ist Peter Wynands überhaupt auf die Idee gekommen, eine Gaststätten-Chronik zu erstellen? "Zu meinen Aufgaben bei der Stadt gehörte es in den letzten zwölf Jahren bis zu meiner Pensionierung 2008, die Gastronomie im Außendienst zu betreuen."
Immer wieder seien dabei Fragen aufgekommen, die Wynands auch nicht beantworten konnte: Wie lange gibt es die Kneipe eigentlich schon? Was war früher in dem Gebäude? Wer waren die Wirte? Seit der 61-Jährige Rentner ist, versucht er Antworten zu finden.
Und er hat jede Menge gefunden. Elf Stunden und 40 Minuten lang ist die Chronik geworden, die auf sechs DVDs Platz findet. 1931 Fotos und Dokumente der 91 aufgelisteten Gaststätten sind darauf zu sehen. Der kürzeste Beitrag über eine erst kürzlich eröffnete Kneipe ist zwei Minuten lang, der längste über das "Hotel zur Post" am Markt (heute Café Wermes) geht über 18 Minuten.
"91 Gaststätten kann ich nicht in 91 Minuten darstellen", betont Peter Wynands. Denn gerade über die vielen Traditionshäuser gebe es viel zu erzählen. So zum Beispiel über die "Hött" hinter der Kirche, die schon 1871 als Herberge "Zur Heimat" mit angeschlossenem Bauernhof gegründet worden war.
Im heutigen Gesellschaftszimmer war noch bis zur Aufgabe der Landwirtschaft im Jahr 1961 der Kuhstall. Später standen in der Gaststätte Peter Nilges ("Hötte Bur") und Ehefrau Maria ("Hötte Marie") hinter dem Tresen, Originale, an die sich viele ältere Willicher noch lebhaft erinnern können.
Ebenfalls sehr bekannt war die Gaststätte Lütters an der Ecke Kreuzstraße/ Brauereistraße. "Die hatten neben dem Kneipenbetrieb eine Metzgerei mit Viehhandel", berichtet Peter Wynands. Sonntagmorgens nach der Messe hätten sich die Bauern dort beim Bier getroffen, um ihre Geschäfte zu machen.
Leer steht heute der ehemalige Bauernhof an der Anrather Straße in Münchheide, in dem 1883 Peter Weertz eine Gaststätte eingerichtet hatte. Nach einem Brand im Gebäude musste er mit seiner Frau und den 13 Kindern vorübergehend auf der gerade fertiggestellten Kegelbahn einziehen.
Unzählige Anekdoten dieser Art hat Wynands zusammengetragen und vertextet. Er erzählt sie auf den sechs DVD, wobei es weit länger als 11:40 Stunden dauerte, bis aus seiner Sicht alles perfekt war. "Jedes Mal, wenn ich mich versprochen habe, musste ich eine Passage nochmal von vorne anfangen."
Ganz fertig ist Peter Wynands immer noch nicht: 15 Chroniken hat er bislang erstellt und auf je sechs DVD gebrannt. Danach verteilte er sie zur Ansicht an ehemalige Wirte und alte Willicher, um auf eventuelle Fehler aufmerksam gemacht zu werden. "In den vergangenen Tagen habe ich dazu schon etliche Tipps bekommen."
In einigen Wochen will Wynands einen Schnitt machen und nach der Korrektur aller Fehler die Gaststätten-Chronik abschließen. "Dann kann sie bei mir erworben werden." 54 Vorbestellungen liegen schon vor. Gezahlt werden müssten nur die reinen Materialkosten, betont Wynands: "Schließlich will ich mich an meinen Hobby nicht bereichern."