Tiergestützte Pädagogik auf dem Schmittchenhof in Willich „Aufholen nach Corona“ mit Tierhilfe
Willich · „Aufholen nach Corona“ heißt das Förderprogramm von Bund und Land, das Wissenslücken schließen soll. In Willich werden auch sozial-emotionale Rückstände der Kinder bedacht, soll tiergestützte Pädagogik helfen, Traumata der Pandemie zu heilen.
. Auf dem Willicher Schmittchenhof ist zur Zeit viel los. Rund 30 Kinder kommen regelmäßig hierher, um nach den Entbehrungen der Corona-Zeit, nach den Monaten der sozialen Isolation wieder ins Leben zu finden. Dabei helfen sollen ihnen Esel, Ponys, Ziegen und Hunde. Denn Hofbesitzerin Sonja Schmitt versucht mit tiergestützter Pädagogik, Kinder zu erreichen, Ängste aufzubrechen. „Wir haben eine Schülerin dabei, die in der Schule in sich gekehrt ist und nie lacht. Bei der Arbeit mit den Tieren ist sie ein völlig anderer Mensch. Sie ist aufgeschlossen und hat Spaß. Mit der tiergestützten Arbeit kann ich sie erreichen“, sagt Schmitt, die auch als Schulsozialarbeiterin tätig ist.
„Aufholen nach Corona“, so heißt das Programm von Bund und Land, das den Schulen in NRW 430 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Offiziell geht es um Lernrückstände, um zusätzliche Nachhilfe, den verpassten Stoff aufholen. Doch das Programm soll in Willich darüber hinausgehen, auch sozial-emotionale Lücken schließen – wie auf dem Schmittchenhof. „Die beiden Lockdowns haben nicht nur Lernrückstände hinterlassen. Es gibt teilweise große Rückstände in der sozialen Entwicklung“, sagt Thomas Gebel vom Geschäftsbereich Jugend der Stadt Willich. Die Corona-Phase habe das soziale Miteinander in den Schulen stark negativ beeinflusst, über lange Zeit verhindert.
Vor diesem Hintergrund nahm die Stadt Willich mit verschiedenen Trägern Kontakt auf, darunter auch im Bereich Schulsozialarbeit. Diese wird in Willich von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Kooperation mit der Stadt umgesetzt. Die sieben Schulsozialarbeiter, die vor allem an den Grundschulen im Einsatz sind, kennen die Situationen vor Ort genau. „Wir haben uns Gedanken gemacht, welche Angebote wir machen können, die kurzfristig und effektiv umgesetzt werden können, damit unter anderem das soziale Miteinander, das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden kann“, sagt Nina Focke von der Awo.
Dank des Budgets, das die Stadt Willich aus dem Topf „Aufholen nach Corona“ zur Verfügung stellt, können die Kinder auf verschiedenen Ebenen unterstützt werden. Herausgekommen ist ein bunter Strauß an Angeboten. Sie laufen seit September 2021. Dazu gehörte bereits ein Kreativtag an den Schulen. An der Vinhovenschule reiste das Holzbläserensemble der Musikhochschule Köln samt Erzähler an. Das Märchen „Hänsel und Gretel“ wurde aufgeführt. „Viele der Kinder hatten noch nie eine Aufführung gesehen und waren einfach nur begeistert“, berichtet Schulsozialarbeiterin Saskia van Hettinga Voß. Die Märchenerzählerin Heike Drechsler war an vier weiteren Grundschulen zu Besuch, und die Niederrhein-Symphoniker hatten zu einer musikalischen Weltreise eingeladen.
Eines der erfolgreichen Projekte ist eben auch die tiergestützte Pädagogik auf dem Schmittchenhof. Zu den weiteren Angeboten gehören Einzel- und Kleingruppenangebote zur Trennungsbewältigung sowie zur Stressprävention und auch Trauerbewältigung. „Etliche Paare haben sich in der Corona-Zeit getrennt. Das ist grade in der aktuellen Zeit nicht einfach für die Kinder. Generell können wir feststellen, dass sich die Stresspegel in den Familien erhöht haben“, sagt Schulsozialarbeiterin Alexandra Wolfers-Kollas.
Frühzeitig ansetzen, lautet die Devise, damit sich keine nachhaltigen Störungen bei den Kindern entwickeln. Um das soziale Miteinander, das in den vergangenen zwei Jahren ein großes Stück auf der Strecke geblieben ist, zu fördern, haben die Schulsozialarbeiter zudem Material für Teambuilding-Maßnahmen angeschafft. Es sind allesamt Spielaufgaben, die nur gemeinsam in der Gruppe bewältigt werden können.
Aber natürlich ist auch die herkömmliche Nachhilfe ein zentrales Thema. Rund 100 Grundschüler der insgesamt neun Grundschulen in Willich nutzen derzeit einmal pro Woche das kostenfreie Angebot in Mathematik und Deutsch. „Dafür haben wir 18 neue Honorarkräfte eingestellt“, sagt Schulsozialarbeiter Maik Vanck. Darunter auch etliche Oberstufenschüler.
Der Nachhilfeunterricht erfolgt im bekannten Umfeld an den Grundschulen in der OGS-Zeit. Die Schulsozialarbeiter haben jeweils mit den Lehrern überlegt, welche Schüler dringend Nachhilfe benötigen. Nach Rücksprache mit den Eltern wurden die Kinder den Nachhilfekräften zugeteilt und die am Unterricht orientierten Lerninhalte besprochen. „Wir sind dankbar, dass wir all diese Projekte zum Wohl der Kinder umsetzen können. Ohne das Geld wäre das alles nicht möglich“, betont Schulsozialarbeiterin Malgorzata Teresa Orosz.