Themenwoche: Miteinander der Kulturen Aus Syrien geflohen, in Willich angekommen
Schiefbahn · Mariem Jeli und Ninar Hamati haben sich dafür entschieden, ein neues Leben anzufangen. Sie flüchteten aus ihrem Heimatland Syrien nach Deutschland. Willich ist für sie inzwischen ein zweites Zuhause geworden.
Das Lachen von Mariem Jeli ist offen und herzlich. Es lädt zum Mitlachen ein. „Mariem hat eigentlichen immer ein fröhliches Lächeln parat, auch wenn es vielleicht einmal nicht gerade so einfach ist“, sagt Jutta van Amern vom Arbeitskreis Fremde (AKF) in der Stadt Willich. Und einfach waren die vergangenen Jahre nicht.
Die 37-Jährige Mariem Jeli ist vor sechs Jahren aus Syrien geflohen. Am 13. Oktober kam sie damals in Deutschland an. Jeli hatte zuvor für den TV Sender Orient News und später auch für Al Dschasira TV gearbeitet. Während des Krieges führte sie Interviews über das Leid, das der Krieg in ihrem Land mit sich bringt.
Sie stellte die Situation dar: Kinder, die ohne Schulunterricht aufwachsen, keine medizinische Versorgung für die Menschen, Familien, die mit Verlusten zu kämpfen haben. Zudem war sie als Helferin für den Roten Halbmond in einem Krankenhaus im Einsatz. Wegen ihrer Äußerungen wurde sie aber vom syrischen Staat verfolgt. Zwei Monate floh sie innerhalb ihres Heimatlands, dann fiel der Entschluss, Syrien zu verlassen. Ihr Mann und ihr ältester Sohn blieben
zurück.
Sie floh mit ihren anderen drei Kindern im Alter von sieben Monaten und elf Jahren über die Türkei nach Deutschland. Damit startete zunächst eine Odyssee, die sie von Berlin nach Dortmund und von dort nach Köln führte. Die nächste Station war Bonn. Bramsche, Bremen, Unna, Kerken und Schwalmtal schlossen sich an. Am 18. Januar 2016 kam Jeli in Willich an. „Die ersten Jahre waren schwer. Eine fremde Sprache, eine andere Kultur, Menschen, die ich nicht kannte und sprachlich nicht verstand. Dazu war ich mit meinen drei Kindern alleine“, erinnert sie sich.
Mariem Jeli lernte
Deutsch in Eigenregie
Deutsch lernen in einem Integrationskurs funktionierte nicht, da sie keinen Kitaplatz für ihre kleinen Kinder hatte. Den Kopf in den Sand zu stecken, kam aber nicht in Frage. Über die Kontakte, die sie knüpfte, darunter auch der AKF, lernte sie die neue Sprache in Eigenregie. „Das erste Wort, das ich lernte, war Entschuldigung“, erzählt sie schmunzelnd. Im Deutschen gebe es sehr lange Wörter, im Arabischen hingegen seien die Wörter kurz.
Lediglich einen Monat besuchte sie einen Sprachkurs der VHS Krefeld. Dadurch, dass sie Englisch spricht und schreibt, kannte sie die lateinischen Buchstaben. Jeli berichtet, dass sie nahezu überall auf nette und offene Menschen stieß, die ihr weiterhalfen. Sie selbst wollte auch helfen und absolvierte für anderthalb Jahre den Bundesfreiwilligendienst beim AKF. „Das war sehr schön. Es war eine tolle Zeit. Eigentlich meine Schönste“, sagt Jeli.
Nach drei Jahren kamen ihr Mann und ihr ältester Sohn nach. Für die 37-Jährige eine völlig neue Situation. „Es war zunächst fremd für mich, da ich in den drei Jahren allein für alles verantwortlich war“, sagt Jeli. Sie freut sich, in Willich zu leben, aber eine wirkliche Heimat ist es nur für ihre Kinder. „Mir fehlt in meinem Herzen etwas“, sagt sie leise. Ihr nächstes Ziel ist es, eine Ausbildung zur Kinderpflegerin zu machen. Los geht’s im August am Berufskolleg in Dülken. Wenn sie wieder arbeiten könne, sei sie wie die anderen Menschen und weiter integriert. Darauf freue sie
sich.
Ihren Lebensunterhalt selbstständig verdienen, das möchte auch Nina Hamati. Die 24-Jährige floh mit ihren Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern vor anderthalb Jahren aus Syrien. Dort hatte sie gerade ihr Journalistik-Studium beendet, und dort möchte sie anknüpfen. „Ich möchte hier das entsprechende Studium beginnen“, sagt sie. Doch zuvor steht Deutsch lernen an. Der VHS-Kurs ist gebucht, aber wegen Corona konnte sie bislang erst einen Monat lang lernen. Die junge Frau, die sehr gut Englisch spricht, würde gern Nachhilfe in Englisch im Gegenzug für deutsche Konversation anbieten, um so schon jetzt weiter Deutsch zu lernen.
Hamati spricht ebenfalls von hilfsbereiten Menschen, gerade in der Gemeinde, in der die Familie wegen ihres christlichen Glaubens fest verankert ist. Leicht gefallen sei es ihr allerdings nicht, die Heimat zu verlassen. „Niemand verlässt seine Heimat gern, aber die Zustände dort haben uns dazu veranlasst“, sagt sie. Vor allem die Angst vor terroristischen Anschlägen würden die Menschen in Syrien
zermürben.