Willich: Zwischen Krieg und Frieden
Die Jahre der Weimarer Republik sind auch in Willich von Besatzung und Inflation geprägt.
Willich. Am 10. Dezember 1918 treffen nach dem Ende des Ersten Weltkriegs in Willich die ersten Rückkehrer ein. Der Krieg ist verloren, der Kaiser hat abgedankt. Doch nur neun Tage später kommen erneut Uniformierte: Belgische Besatzung - die Nachkriegszeit hat begonnen.
Das Verhältnis zwischen Belgiern und Einheimischen ist nicht gerade rosig. Nur widerwillig ziehen die Neersener, Anrather, Willicher und Schiefbahner den Hut, wenn auf der Straße eine belgische Fahne vorbeigetragen wird, aber sie tun’s, sonst wird er ihnen heruntergeschlagen.
Im Jahr 1923 überstürzen sich die Ereignisse. Separatisten, die das Rheinland vom Deutschen Reich abtrennen wollen, machen die Gegend unsicher, wollen zum Beispiel das Anrather Gefängnis besetzen. Aber die Gefängnisbeamten stehen mit geladenem Gewehr bereit, die Anrather Bevölkerung marschiert auf, der Putsch verläuft sich. Indessen galoppiert die Inflation, ein Kilogramm Butter kostet 420 Milliarden Papiermark. Willichs Stahlwerk Becker und die Anrather Verseidag drucken daher eigenes Notgeld.
Im August 1925 zieht die belgische Besatzung ab; in mitternächtlichen Feiern erklingt in jeder Gemeinde das Deutschlandlied.
In Willich beginnt die Tragödie des Stahlwerks Becker, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs eine rasante Konjunktur genossen hat. Aber die Expansion basierte vorwiegend auf Krediten. Zudem lassen die Friedensaufträge auf sich warten, die Umstellung auf die Friedensproduktion kostet eine Menge Geld. Firmenchef Dr. Reinhold Becker (verstorben 1924) erweist sich mehr als Pump- denn als Finanzgenie. 1930 wird das Werk still gelegt, und mit einem Schlag ist ein Viertel der Willicher Werktätigen arbeitslos.
Doch es gibt auch Zeichen der Hoffnung: Unweit des still gelegten Stahlwerks, an der Krusestraße, wird ein Jahr später eine schlichte Holzkapelle eingeweiht - künftiges Gotteshaus der Willicher Protestanten.
Bereits seit Beginn des Jahrhunderts gibt es durch den Zuzug evangelischer Beamter zum damaligen Zentralgefängnis eine Gemeinde in Anrath.