Willicher Jude stirbt mit 91 Jahren in London
Ernst Lion war 1939 vor den Nazis geflohen. Mehrfach hatte er später die alte Heimat besucht.
Willich/London. Mit einem Kondolenzschreiben hat Bürgermeister Josef Heyes auf den Tod von Ernst Lion reagiert. Der gebürtige Willicher, der im Alter von 91 Jahren in London gestorben ist, war 1939 vor den Nazis nach England geflohen: Er war Jude.
„Mit Trauer erreichte uns die Nachricht. Wie sehr haben wir uns in Willich immer wieder über seine lieben Grüße gefreut, die er auch im hohen Alter immer handschriftlich formulierte und damit zum Ausdruck brachte, dass er trotz der schlimmen Erfahrungen seine alte Heimat nicht vergessen hatte.“ Mit diesen Worten hat Josef Heyes der Familie kondoliert.
Ernst Lion gehörte einer der zwei jüdischen Familien in Alt-Willich an, seine Eltern besaßen im Ort eine Metzgerei. Ernst erlernte nach dem Schulabschluss 1935 auch im väterlichen Betrieb das Metzgerhandwerk. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde die Lage für die Familie immer schlechter, so dass sie 1937 den Betrieb schließen musste.
Während der Pogromnacht wurde das Haus der Familie von SA-Männern gestürmt, die alle Bewohner verprügelten und das Inventar zerstörten. Ernst’ Vater Albert wurde zwar verhaftet, aber nicht nach Dachau gebracht.
Die bereits in London lebende Schwester seiner Mutter bereitete nun die Emigration der Kinder vor: Im Januar 1939 verließ Ruth Lion Willich und kam mit einem Kindertransport nach England. Der 18-jährige Ernst folgte ihr im Juni 1939 nach London. Seine Eltern blieben, wurden 1941 nach Riga deportiert und überlebten den Holocaust nicht. Seine Großmutter starb in Theresienstadt.
Ernst Lion wurde bei Kriegsausbruch interniert und musste für neun Monate nach Australien. Anschließend trat er der britischen Army bei und kämpfte dort bis zum Kriegsende. 1950 eröffnete er eine Metzgerei im Londoner Ortsteil Clapton.
Mehrmals hat der Verstorbene nach dem Krieg die Stadt Willich besucht, erstmals 1985, zuletzt im August 2005 mit Enkelin Tanja.