Wettbewerb „Aufbruch 2024“ Kreis Viersen Integration von Langzeitarbeitslosen

Willich · Alle faul und undankbar? Langzeitarbeitslose sind oft mit Klischees konfrontiert. Mit ihnen haben die Gewinner von „Aufbruch 2024“ viel Erfahrung. Die Erstplatzierten kommen aus Willich, Niederkrüchten und Nettetal.

Auf dem Treppchen standen am Ende Armin Feemers von Wilms (3. Platz, links), Jan-Hendrik Wulf von der Seniorenresidenz am Park (2. Platz, rechts) und Frank Meyer von Die Kette Kochwerk (1. Platz, Mitte).

Foto: Timo Sieg

Das Kreishaus in Viersen ist so frisch renoviert, dass es noch gar nicht offiziell in Betrieb genommen wurde. Trotzdem fand die Preisverleihung des Wettbewerbs „Aufbruch 2024“ des Jobcenters Kreis Viersen jetzt dort statt. Rund 400 Betriebe im Kreis Viersen wurden von dem Jobcenter kontaktiert, davon haben 40 geantwortet und davon nahmen zehn schließlich an dem Wettbewerb teil.

Eine Jury aus Politik, Wirtschaft und Verbänden sichtete alle Bewerbungen und wählte die drei Gewinner aus, die nun verkündet wurden: Platz drei holte Wilms Tiefkühlservice aus Niederkrüchten, Platz zwei die Seniorenresidenz am Park in Nettetal-Lobberich und Platz eins Die Kette Kochwerk in Willich. Die Vertreter erhielten neben einem Preis einen USB-Stick mit einem Imagefilm über ihr Unternehmen, der vorab gezeigt wurde. Alle zehn Unternehmen bekamen außerdem Urkunden verliehen.

Mit der Veranstaltung soll die Wertschätzung gegenüber den teilnehmenden Firmen ausgedrückt werden. Wertschätzung dafür, dass sie in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Langzeitarbeitslose einstellen. Gleichzeitig ist klar: Die Unternehmen sind auch selbst darauf angewiesen.

Rund 40 Prozent der arbeitslosen Menschen in Deutschland sind Langzeitarbeitslose. Langzeit bedeutet laut Definition ein Jahr oder mehr. Im Kreis Viersen sind es 3630 Menschen, sagte Sarah Borgloh, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Krefeld/Kreis Viersen, in ihrem Gastbeitrag vor der Preisverleihung. Auf der anderen Seite stehen derzeit rund 2000 freie Stellen im Kreis, die besetzt werden müssen. „Potenziale nutzen“ ist eine Losung, die mehr als einmal an diesem Nachmittag fiel.

80 Prozent der offenen Stellen im Kreis erfordern allerdings Fachkraftniveau, so Borgloh in ihrem Beitrag. Das sei eine Herausforderung in der Vermittlung, auch wenn mehr als ein Drittel der Langzeitarbeitslosen in der Region eine abgeschlossene Ausbildung habe. Langzeitarbeitslose müssen also entweder aus- und weitergebildet oder auf die anderen 20 Prozent der offenen Stellen vermittelt werden. Dazu braucht es Arbeitgeber, die sich mit den besonderen Bedingungen für den Wiedereinstieg dieser Menschen in das Berufsleben arrangieren.

Zu diesen Bedingungen zählen auch psychologische Aspekte. Armin Feemers ist Geschäftsführer bei Wilms und sagte im Gespräch zu der Arbeit mit Langzeitarbeitslosen: „Selbstbewusstsein ist oft ein schwieriger Punkt.“ Denn an dem Thema hänge ein Stigma. Viele Firmen würden außerdem versuchen, den perfekten Arbeiter zu finden. „Überspitzt gesagt: Jemand junges mit zwei Doktortiteln, der für ein Lehrlingsgehalt 80 Stunden die Woche arbeitet.“ Feemers sagt, einige seiner Top-Mitarbeiter seien jenseits der 50 oder 60 Jahre alt – Lebenserfahrung sei viel wert.

Bei der Veranstaltung sprachen Unternehmensvertreter auch über unangenehmere Herausforderungen: „Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit sind oft ein Problem“, sagte zum Beispiel Jan-Hendrik Wulf, Pflegedienstleiter der zweitplatzierten Seniorenresidenz am Park. Derzeit arbeiten dort sieben zuvor Langzeitarbeitslose, die durch das Jobcenter vermittelt wurden. Viele würden sich anfangs mit dem Krankmelden oder Einreichen von nötigen Dokumenten schwertun. Zudem sei Sprache oft eine Hürde, viele Langzeitarbeitslose hätten Migrationshintergrund. Wulf sagte weiter: „Aber auf all das stellen wir uns ein und bieten zu Beginn einen Monat Eingliederungshilfe.“

Auch bei Kochwerk wird eine Eingewöhnungszeit gegeben. Das gemeinnützige Unternehmen beschäftigt insgesamt 210 Angestellte, die für Schulen und Kitas insgesamt 2500 Mahlzeiten pro Tag zubereiten. Am Standort Willich arbeiten 55 Menschen, er wird von Frank Meyer geleitet. Laut ihm ist in der Zusammenarbeit mit dem Jobcenter die Effektivität ein zentraler Vorteil: Statt selbst aus einer Masse an Bewerbern aussuchen zu müssen, vermittele die Behörde geeignete Kandidaten.