Angeklagter widerruft Geständnis
Todesfahrt: Michael M. sagt, die Polizei habe ihm alles in den Mund gelegt. Richter ist empört.
Mönchengladbach. Der Vorsitzende Richter Lothar Beckers wird sehr deutlich: "Ich glaube Ihnen nicht. Eine solche Amnesie gibt es nicht."
Doch der Angeklagte bleibt dabei: Er könne sich an kaum etwas erinnern. Am Dienstag begann vor dem Landgericht der Prozess gegen Michel M. (28), dem vorgeworfen wird, am 28. April um 0.49 Uhr den Radfahrer Bernd S. aus Aachen mit dem Wagen erfasst zu haben.
Viele Gladbacher werden sich an den Fall erinnern: Der Radfahrer wird mit schweren inneren Verletzungen nachts auf der Gladbacher Straße zwischen Rheindahlen und MG-Zentrum gefunden.
Er stirbt wenig später im Krankenhaus. Die Polizei kann nach einer aufwändigen Fahndung, die stark auf die Mithilfe der Öffentlichkeit setzt, Michel M. festnehmen.
Der schwarze Mercedes Sprinter, den er fährt, kann als Tatfahrzeug identifiziert werden. Bei der Polizei und vor der Untersuchungsrichterin gesteht M., der als Dachdecker arbeitet, auch die Tat.
Er sei auf dem Weg zur Tankstelle gewesen, um Zigaretten zu holen, habe laut Musik gehört und am Autoradio herumgefummelt. Dann ein Knall. "Ich habe nichts gesehen, aber mir gedacht, dass das ein Radfahrer ist. Konnte ja nichts anderes sein", gibt er zu Protokoll.
Doch er hält nicht an, sondern gibt Gas, weil er alkoholisiert ist und keinen Führerschein besitzt. Dieses Verhalten wertet die Staatsanwaltschaft als versuchten Mord, da seine Unfallflucht zur Verdeckung einer Straftat diene.
Während der angeklagte Dachdecker bei der Vernehmung durch die Polizei viele Details angibt, kann er sich vor Gericht an nichts mehr erinnern. Er, der im Laufe des Tages bei der Arbeit und auf einer Geburtstagsparty einiges (Bier wie Jägermeister) konsumiert hat, spricht nur noch von Dunkelheit und einem lauten Knall. Er meint sogar, gar nicht gefahren zu sein, sondern auf dem Beifahrersitz gesessen zu haben. Den Fahrer kann er nicht nennen.
Seine detaillierte Aussage zur Nacht vom 27. auf den 28. April, die ihm Richter Beckers vorhält, hätten ihm die Polizisten in den Mund gelegt. An dieser Stelle platzt dem Vorsitzenden Richter der Kragen. "Es ist straferschwerend, wenn Sie andere beschuldigen. Ich werde die Polizisten befragen."
Die gewaltigen Erinnerungslücken, von denen der Angeklagte spricht, will der Richter ihm nicht abnehmen. Er rät ihm, sich mit seinem Anwalt zu besprechen. Als Nebenkläger sind der Vater und die beiden Brüder des getöteten Bernd S. im Gerichtssaal mit dabei. Auch die Freundin von M. verfolgt den Prozess. Am 2. November geht es hier weiter.