Interview Ina Menzer „Ich bin nun in meiner zweiten Karriere“

Interview Die Box-Weltmeisterin Ina Menzer aus Gladbach kehrt im April in den Hockeypark zurück. Allerdings nicht in den Ring.

Foto: Mirko Hannemann/PublicAddress

Foto: Mirko Hannemann, PublicAddress

Frau Menzer, Sie kehren am 23. April zurück nach Mönchengladbach – sieben Jahre nach ihrem WM-Sieg im Hockeypark. Was ist der Anlass?

Ina Menzer: Ich werde nicht im Ring stehen, sondern auf der Bühne der Kaiser-Friedrich-Halle. Ich bin von der Box-Bühne abgetreten und bin nun in meiner zweiten Karriere. Ich halte einen Vortrag über meine Laufbahn, ich gehe dabei auf Werte wie Zielstrebigkeit ein. Ich spanne den Bogen vom Profisport zum normalen Berufsleben. Ich glaube, man kann daraus viel ziehen und gerade aus Niederlagen viel lernen. Das ist etwas, was mir meine Karriere gezeigt hat.

Abgetreten sind Sie aber nicht als Verliererin, sondern im größtmöglichen Triumph: Sie sind in Ihrer Heimatstadt Weltmeisterin geworden. Wie präsent die Erinnerungen?

Menzer: Die sind noch sehr präsent. Es sind sehr schöne Erinnerungen, die ich an diesen Tag habe. Es hat zwar geregnet – (überlegt) – oder hat es bei meinem Kampf überhaupt geregnet? Aber es war mir egal. Ich habe Bilder von Leuten, die mir nach dem Kampf gratuliert haben, es war alles hell und klar, ich war, das muss ich gestehen, wie auf Drogen, wie im Rausch. Es war unglaublich damals, es ist alles super gelaufen.

Sie sprechen in Ihrem Vortrag auch darüber, dass die Niederlage im WM-Kampf im Juli 2010 ein sehr wichtiger Aspekt Ihrer Karriere war.

Menzer: Rückblickend war die Niederlage das Beste, was mir passieren konnte. Aber wenn du mitten drin bist in dem Prozess, dann empfindest du das natürlich nicht so. Ich habe wirklich drei Jahre gebraucht, um aus dem Loch herauszukommen und alles richtig zu verarbeiten. Aber die Niederlage hat mich auf der anderen Seite gezwungen, diese drei Jahre durchzuhalten, um dann als Weltmeisterin abzutreten

Sie leben seit vielen Jahren in Hamburg. Was ist Mönchengladbach für Sie? Sie kamen 1990 als Aussiedlerin nach Wickrath?

Menzer: Ich habe noch immer enge Kontakte nach Gladbach. Meine Familie ist noch da und viele Freunde. Mein alter Boxverein, die Faustkämpfer, ist da, ich habe noch guten Kontakt zu meinem früheren Trainer Waldemar Altergott. Wir bekommen immer wieder Besuch aus Gladbach, wir telefonieren regelmäßig. Das sind alles Leute, die mich während meiner Laufbahn begleitet haben, und da will ich den Kontakt nie verlieren.

Fehlt das Boxen manchmal?

Menzer: Nein, wirklich nicht. Ich habe mich ganz bewusst entschieden, dass dieser WM-Kampf das Finale für mich sein wird, und ich habe das nie bereut. Ich gebe ja Personaltraining, da stehe ich auf der anderen Seite, habe die Pratzen an und quäle die anderen. Ich schaue mir auch noch den einen oder anderen Boxkampf an, aber es gab nur einmal den Moment, in dem es nochmal gejuckt hat. Das war bei einem Klitschko-Kampf in dem Moment, als die Musik lief und er aus der Kabine kam. Im nächsten Moment habe ich dann aber gedacht: Nein, es war eine schöne Zeit, aber sie ist vorbei.

Jetzt sind Sie zweifache Mutter. Was ist komplizierter: Die Vorbereitung auf einen WM-Kampf oder der familiäre Alltag?

Menzer: Beides ist schön und anstrengend. Der Sport war aber extrem. Als Mutter und Ehefrau hast du natürlich viel Verantwortung, aber als Sportlerin kämpfst du für alle, die um dich herum sind: deinen Trainer, deinen Manager, deinen Verein, den Box-Stall und und und. Boxen ist kein Einzelsport; der, der im Ring steht, ist nur der Repräsentant des ganzen Apparats. Das ist auch ein Thema meines Vortrags. Nach meiner Niederlage 2010 habe ich mich deswegen auch bei meinem Team entschuldigt, das ich verloren habe. Sie hatten alle hart für den Sieg gearbeitet, und ich konnte ihn nicht erreichen. Das tat mir sehr leid.

Wie fühlt sich eine solche Niederlage an?

Menzer: Jede Niederlage ist eine Extremsituation. Da zeigt sich auch der Charakter eines Menschen. Denn wenn man verliert, ist man ganz unten, und so wie man sich da dann verhält, ist es der wahre Charakter. Ich kann im Rückblick sagen, dass ich stolz auf mich bin, wie ich damit umgegangen bin. Ich glaube, dass Misserfolg hilfreicher sein kann, wenn man richtig damit umgeht. Man muss alles genau analysieren und dann abhaken; man darf Fehler nicht zweimal machen. 2010, das muss ich zugeben, war es mein Fehler, dass ich die Gegnerin unterschätzt habe. Das war eigentlich untypisch für mich, weil ich normalerweise vor einem Kampf an nichts anderes denke; er ist 24 Stunden in deinem Kopf. Und vor diesem Kampf habe ich versucht, mich abzulenken. Ich brauche das Feuer, um die Spannung zu halten. Ich hatte das Gefühl der Unbesiegbarkeit, und genau das hat mich besiegbar gemacht.

Zu Ihrer aktiven Zeit war Frauen-Boxen durch Sie und Regina Halmich ein großes Thema. Wie nehmen sie das jetzt wahr?

Menzer: Ich glaube, dass Regina und ich noch in den Köpfen der Leute präsent und immer noch Vorbilder sind. So empfinde ich es. Es ist aber schwierig da anzuknüpfen, was den Nachwuchs angeht. Es ist Potenzial da, das aber gefördert werden muss. Ich denke aber schon, dass wir als Pionierinnen gute Grundlagenarbeit für das Frauen-Boxen gemacht. Wir haben gezeigt, dass das ein toller Sport ist. Als Frau kämpfst du an zwei Fronten: Einmal im Ring, da musst du deine Leistung bringen. Auf der anderen Seite kämpfst du um Anerkennung. Ich habe aber nicht als Frau gekämpft, sondern wollte einfach erfolgreich boxen.