Bildung Freie Aktive Schule in Mönchengladbach - Hier bestimmen die Schüler ihr Tempo selbst

Mönchengladbach · Seit einem halben Jahr ist die Freie Aktive Schule in Mönchengladbach in Betrieb. Auch Inklusion ist möglich. Aber die Zeit drängt.

Jede Menge ehrenamtlicher Arbeit: (v. l.) Nicole Neufert, Daniela Bornträger und Jürgen Steinmetz vom Trägerverein der Freien Aktiven Schule am Niederrhein (Fasan).

Foto: Ekkehard Rüger

Die Räume heißen Werkstatt, Labor, Atelier, Studio und Bühne. Das erste Halbjahr ihrer Geschichte hat die Freie Aktive Schule am Niederrhein, die entsprechend dem Logovogel nur der Fasan genannt wird, gerade hinter sich gebracht, aber Noten und Zeugnisse hat es für die 17 Erst- und Zweitklässler nicht gegeben. Was es in der kleinen Privatschule in Mönchengladbach dagegen gibt, ist viel Freiheit und Selbstbestimmung. Ohne festen Stundenplan können die Kinder ihr Lerntempo und die Inhalte in den frei wählbaren Funktionsräumen weitgehend selbst bestimmen.

Orientierung bietet den Grundschülern unter anderem die Lernblume, die in einer Zeichnung festhält, was die Kinder bis zur vierten Klasse gelernt haben müssen. Den Weg dahin sollen sie nach eigenen Bedürfnissen gestalten, angelehnt an die Pädagogik von Maria Montessori und deren Weiterentwicklung durch Rebeca Wild. Montags treffen sich die Kinder, die wollen, zur Vollversammlung. „Alle Regeln, die wir an der Schule haben, sind mit ihnen zusammen entstanden“, sagt Daniela Bornträger (36) vom Trägerverein.

Privatschulen haben Konjunktur in NRW. Rund 5100 gibt es schon, Tendenz steigend. Der Fasan hat sich stark an der Freien Schule in Wülf­rath orientiert, ähnliche Projekte in Heinsberg, Velbert und Düsseldorf sind in Vorbereitung. 87 Prozent der Kosten für den Schulbetrieb in Mönchengladbach übernimmt das Land, 13 Prozent müssen über den Förderverein beigesteuert werden. Das Einzugsgebiet ist groß: Die Schüler kommen aus Krefeld, Meerbusch, Wegberg, Erkelenz und Viersen.

Sonderpädagoge für Betreuung eines Inklusionskindes gesucht

Einer von ihnen ist Linus (8). Der Zweitklässler leidet an Muskeldystrophie, einer Erbkrankheit, die zu fortschreitender Muskelschwäche führt. Noch kann Linus gehen, doch eines Tages wird er im Rollstuhl sitzen müssen. Wann, das ist offen.

„Wir wollen Inklusionsschule sein, so weit das in unserem beschaulichen Rahmen möglich ist“, sagt Jürgen Steinmetz (47), auch Teil des Trägerteams. Und die Schule will sicherstellen, dass Linus bleiben kann. Aber die Zeit drängt: Bis zum 31. März muss ein Sonderpädagoge gefunden sein, der für fünf Stunden in der Woche Linus’ Förderung übernimmt. Dann könnten ein Inklusionskonzept eingereicht und die notwendigen Umbauten in die Wege geleitet werden. „Auf lange Sicht werden wir auch einen Aufzug einbauen müssen“, sagt Nicole Neufert (39), beim Trägerverein zuständig für die Finanzen.

Der geringe Stundenumfang macht die Stellenbesetzung schwierig, aber mit kniffeligen Personalfragen und so mutigen wie kurzfristigen Entscheidungen haben die Schulgründer schon reichlich Erfahrung gesammelt. „Die Genehmigung für den Schulbetrieb kam am 15. August 2018, erster Schultag war am 28. August“, wirft Daniela Bornträger einen Blick zurück. Da brauchte es mutige Lehrer, die ihre Stelle für den Fasan bereits gekündigt hatten, und mutige Eltern, die an der Anmeldung ihrer Kinder festhielten.

Ein halbes Jahr später sind sich die ehrenamtlichen Schulpioniere einig: Ihr Einsatz erfordert einen viel größeren Zeitaufwand als erwartet. Der dicke Wälzer mit dem Titel „Bereinigte Amtliche Sammlung der Schulvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen“ ist ständiger Wegbegleiter. In der Arbeitgeberrolle müssen sich die Eltern ebenso zurechtfinden wie in den Untiefen der Ersatzschulfinanzierung. „Man hat das Gefühl, es gibt jeden Tag zehn To-do-Punkte, von denen man fünf abarbeitet, aber am nächsten Tag wieder zehn dazubekommt“, sagt Bornträger.

Ihre Tochter besucht die Schule bereits, ihre Mitstreiter im Viererteam des Schulträgers engagieren sich schon, obwohl ihre Kinder noch gar nicht schulpflichtig sind. „Man muss ziemlich bekloppt sein“, sagt Steinmetz und lacht. Der Lohn, den sie sich für die Schulzeit ihrer Kinder versprechen: nachhaltigeres Lernen, mehr soziale Kompetenz – und weniger Ellenbogengesellschaft.