Markus Lüpertz: „Architektonisches Verbrechen“
Künstler Markus Lüpertz nimmt seine Heimat Rheydt auf die Schippe.
Rheydt. Bernd Gothe war nervös. Das ist er sonst nie. Aber die Verleihung des Närrischen Maulkorbs ist eine etwas andere Hausnummer als die sonstigen Veranstaltungen des Chefs des Mönchengladbacher Karnevals-Verbands (MKV).
Mit seinen Kollegen aus Düsseldorf, Josef Hinkel, und Neuss, Jakob Beyen, die mit ihm die Elefantenrunde des Rheinischen Karnevals bilden, haben sie Markus Lüpertz als Empfänger des Ordens auserkoren — jenen Maler und Bildhauer, der heftig umstrittene Kunstwerke schuf und von 1988 bis 2009 Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie war. Lüpertz’ Familie kam nach dem Krieg 1948 aus Böhmen nach Rheydt, und er verbrachte hier seine Kindheit und Jugend.
Wolfgang Clement, der Vorjahrespreisträger, hält die Laudatio — die er nahezu eins zu eins aus Wikipedia übernommen zu haben scheint. Er erzählt, gewürzt mit Fußball-Frotzeleien, von Lüpertz Wirken als Künstler, das sich nicht auf Malerei und Bildhauerei beschränkt, sondern auch auf Literatur und Musik erstreckt, und meint, dass dieser damit ein politischer Mensch sei. Er spricht von Lüpertz’ Anspruch als Lehrer, von seinem Geniekult und ist damit erst um 19.40 Uhr fertig, statt wie geplant um 19.20 Uhr.
Da heißt es, das Programm umstellen, weil ein Fernsehsender seine Liveschaltung für 19.47 Uhr geplant hat. Anschließend ergreifen Bürgermeister beziehungsweise Oberbürgermeister der drei Karnevalsstädte das Wort. Norbert Bude sieht Lüpertz mit Gladbach verbunden und freut sich, dass der kreative Kopf am Anfang seiner Karriere für St. Franziskus in Rheydt das 33 Meter lange Gemälde Totentanz stiftete.
Sein Amtskollege aus Neuss bedauert, dass sich die Stadt den von ihm entworfenen Kreuzweg nicht leisten kann und Agnes Strack-Zimmermann aus Düsseldorf spricht über seine lange Lehrtätigkeit an der dortigen Akademie für die Landeshauptstadt.
Als Markus Lüpertz endlich ans Mikro geht, geht er auf all das überhaupt nicht ein, widerspricht aber vielen Aussagen charmant und witzig. „Das einzige Mal, da ich mich bürgerschaftlich“ — sprich politisch — „engagiert habe, war im Kampf gegen die Zusammenlegung von Rheydt und Gladbach“, sagt er, „auch hier war ich erfolglos.“
Rheydt habe er immer als idyllische kleine Stadt erlebt, die es jetzt nicht mehr gebe. „Ich war erschreckt, als ich dort heute Morgen unterwegs war. Ein architektonisches Verbrechen!“ Er erinnert an sein erstes Atelier, gegenüber der Kaiser-Friedrich-Halle, und dass er nach dem Dachstuhlbrand dort in den Verdacht der Brandstiftung gekommen sei.
„Kein Wunder, mit langen Haaren und zwei Zentner zehn Gewicht.“ Er bekennt, dass er bislang keine Orden angenommen habe. „Aber einen Karnevalsorden finde ich interessant.“ Zwar habe er gern Kostümfeste gefeiert und organisiert, aber der organisierte Karneval sei ihm bislang fremd geblieben. „Ich bin begeistert“, bekennt er, „mit welcher Hingabe erwachsene Menschen . . .“ und erntet immerhin selbstironisches Lachen von den im Haus Erholung versammelten Karnevalisten.