Mittelalterflair beim Ritterfest

Gaukler, Messerwerfer und handgemachte Schuhe: Beim Ritterfest am Schloss Rheydt gab’s für Zuschauer viel zu sehen und zu erleben.

Foto: Manfred Baum

Mönchengladbach. Schon Goethe hat einst gesagt: „Das Beste, was wir aus der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erregt.“ Dieser Enthusiasmus war am vergangenen, meist sonnigen ersten Augustwochenende auf Schloss Rheydt reichlich vorhanden.

Geschichte ist stets auch Tat — und Taten gab es satt rund um das Schloss. Das Mittelalter erlebte eine beispielhafte Renaissance, und die Kinder und Jugendlichen dachten weder an Apps, PCs oder Datenautobahnen. Nein, sie wollten kämpfen, lauschen, spielen, sich mitreißen lassen in eine ganz andere Welt.

Die Besucher (rund 11 000 kamen an den drei Tagen zum Schloss, um das Ritterfest live zu erleben) ließen sich mitnehmen auf eine höchst amüsante Zeitreise. Plötzlich waren Pfeil und Bogen in, lauschte man der Märchenerzählerin mit Musik, kämpfte gegen übermächtige Drachen oder mühte sich mit dem Blasebalg ab, um für Feuer zu sorgen.

Der Schwert-und Axtwurf ersetzte den Computer. Der Uhu wurde zum Freund der Menschen. Die Waffenkunde interessierte. Im Konzerthof keine Techno-Musik, sondern Irish Folk, den auch die Ohren gerne aufnahmen.

Kai, der Hofnarr mit seinen unverwechselbaren Schnabelschuhen. Götz von B., der Gaukler aus Leidenschaft. Die Musik des Mittelalters. Das Ambiente des Fackelscheins. Die Ruhe der Teiche und Bäche rund um das Schloss. Die Eleganz der Pferde bei den Ritterspielen, gepaart mit der Wendigkeit und Kampfkraft der Ritter.

Da brandete am Samstag donnernder Applaus von einigen tausend Besuchern auf, bevor der große Regen kam. Faszinierend das Mäuseroulette, schmackhaft der am offenen Feuer geräucherte Lachs. Fast eine Hommage an das Mittelalter: das öffentliche Bad einer Familie im großen Zuber.

Die Flammenshow „Historica“, die Geschichte vom Menschen und seinen Pferden, ein wahrlich natürliches Spektakel. Akardenhof, Knappenwiese, der mittelalterliche Bauernhof, der schwitzende Schmied am Amboss und seine meckernden Ziegen. Die Marktmeile, der Einkaufsshop längst vergangener Zeiten. Die Minikirche im großen Heerlager, die Zelte, die die Fertighäuser von gestern waren.

Die Gewandung (Kleidung) der Teilnehmer bot den Akteuren die Möglichkeit, ihre Stellung und Reichtum zum Ausdruck zu bringen. Mythen und Sagen? Sie waren allgegenwärtig. Die Alltagsfacetten waren auch früher vielfältig.

Heute ist der Borussenpark eine Fußballarena. Die Besucher des Spektakels auf Schloss Rheydt hatten ihre eigene Arena für die spannungsgeladenen Ritterturniere. Lassen wir doch mal die Besucher sprechen. Peter Meyers Erkelenz war angetan vom Ambiente des Marktes, des Ritterfestes rund um das Schloss. Lutz Willemsen: Der 44-Jährige aus Rheydt, verwandt übrigens mit Fernsehmoderator Roger Willemsen, baut seit 20 Jahren beleuchtete Stäbe mit furchterregenden Masken, Er fühlt sich richtig wohl auf dem Markt.

Paul Kirschberger von der Bergstraße war als mittelalterlicher Schuhmacher im Einsatz und begeisterte die Besucher wie Marion Mönke, die sogar aus Wuppertal angereist war als Familienausflug in eine andere Zeit. Weniger Spaß am unterhaltsamen Treiben hatte ein Spanferkel, das sich auf dem großen Spieß drehte. Naturseifen erlebten ebenso eine Wiedergeburt wie schmackhaftes, frisch gebackenes Bauernbrot, das gegen Zahlung von Silberlingen verkauft wurde. Nicht zu vergessen die Schönheit der Frauen des Mittelalters, wo die Schlankheit von heute wohl nur bedingt eine Chance gehabt hätte.

Heute beinahe ausgestorben, im Mittelalter unverzichtbar und auch auf dem Ritterfest im Einsatz: das Spinnrad. Dass dazu Geschichten gehören, eine Selbstverständlichkeit. Aberglauben, schwarze und weiße Magie gehörten zum Mittelalter. Die Magie fand sich am Eingang des Heerlagers wieder und interessierte besonders die Kinder.

Erfreulich, dass man beim Ritterfest eines nicht in die Jetztzeit transportierte: die Foltermethoden. Doch der Erlebnisfaktor der drei Rheydter Rittertage war riesengroß.