Zu Gast im Gymnasium an der Gartenstraße Tamar Dreyfuss erzählt von Flucht vor den Nazis

Rheydt · Holocaust-Überlebende war zu Gast im Gymnasium an der Gartenstraße.

Tamar Dreifuss hat den Holocaust als Kind miterlebt.

Foto: GAG

. Die Aula des Gymnasiums an der Gartenstraße ist fast vollständig gefüllt. Trotzdem ist es mucksmäuschenstill. Die Oberstufenschüler hören gespannt den Schilderungen von Tamar Dreifuss zu. Sie berichtet gerade, wie es ihrer Mutter gelungen ist, nach der Deportation aus ihrer Heimat aus dem Durchgangslager Tauroggen zu fliehen.

„Wir kamen zu den Gemeinschaftsduschen, aus denen Gott sei Dank nur Wasser kam“, berichtet sie. Alle Zuhörer wissen, dass dies ein großes Glück war. „Nach den Duschen hat meine Mutter sich zu dem Kleiderhaufen gekämpft und ein schönes Kostüm für sich und für mich ergattert. Sogar eine Schleife hat sie mir ins Haar gemacht. Dann sind wir in diesen Anziehsachen einfach über den Hof marschiert. Um uns herum nur Soldaten. Keiner hat uns beachtet.“ Eine Szene, die sich im Gedächtnis der damals Sechsjährigen verfestigt hat. „Ich habe meine Mutter gefragt: ‚Mama, sehen sie uns nicht?‘ Als wir auf das Tor zukamen, bat meine Mutter mich, zu beten. Und wie durch ein Wunder wurde der Soldat durch Schüsse irgendwo abgelenkt und das Tor ging auf. Wir waren in Litauen.“

Nach dem Krieg wanderte die Familie nach Israel aus. Doch Tamar Dreifuss kehrte 1959 nach Deutschland, in das Land der Täter, zurück. „Der Liebe wegen“, erklärt Dreifuss fast lapidar, „ich habe immer wieder versucht, nach Israel zu kommen. Aber Deutschland ist wohl mein Schicksal, dagegen kann man nicht ankämpfen.“ An anderer Stelle sagt sie: „Litauen ist meine erste Heimat, Israel meine zweite. Und Deutschland ist meine Aufgabe.“ Seit 20 Jahren kommt Tamar Dreifuss der Aufgabe wider das Vergessen nach. Sie besucht Schulen und liest aus dem Buch ihrer Mutter, welches sie ins Deutsche übersetzt hat, oder aus ihrem eigenen Kinderbuch über ihr Leben.

Die Erlebnisse von Jetta Schapiro-Rosenzweig, Tamar Dreifuss‘ Mutter, sind unter dem Titel „Sag niemals, das ist dein letzter Weg“ erschienen, das Kinderbuch trägt den Titel „Die wundersame Rettung der kleinen Tamar 1944“. Red

(RP)