Katholiken und Protestanten in Mönchengladbach Kirchen kämpfen mit Austrittswelle

Mönchengladbach. · In den katholischen und evangelischen Gemeinden in Mönchengladbach sind die Mitgliedszahlen 2019 noch stärker geschrumpft als ohnehin befürchtet. Das zwingt die Kirchen dazu, Angebote zu streichen. Dabei bräuchten sie genau das Gegenteil.

Die evangelische Gemeinde in Rheydt hat bereits angekündigt, drei ihrer Kitas zu schließen.

Foto: Andreas Gruhn

Die Kirchen in Mönchengladbach haben mit einem massiven Rückgang ihrer Mitglieder zu kämpfen. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Katholiken um 2,1 Prozent, die der Protestanten um 2,4 Prozent gesunken. Das geht aus den Statistiken des Bistums Aachen und des evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neuss hervor. Demnach sank die Zahl der Katholiken in der Stadt um 2616 auf jetzt noch etwa 120 800. Gut 46 Prozent der Gladbacher sind demnach noch katholisch, also nicht mehr die Hälfte. Die evangelische Kirche verzeichnete in der Stadt einen Rückgang ihrer Gemeindeglieder um 1060 auf nun noch 40 950.

Das ist an sich keine große Überraschung, die Tendenz gibt es seit vielen Jahren. Doch beide Konfessionen hat die Wucht des neuerlichen Rückgangs überrascht. „In der Tendenz war der Rückgang 2019 höher als erwartet“, sagt der evangelische Superintendent Dietrich Denker. „Die Bereitschaft, der Kirche die Treue zu halten, ist schneller kleiner geworden als gedacht.“

Auch der katholische Regionalvikar Klaus Hurtz bekennt: „Es erschrickt mich eine Gesellschaft, die meint ohne Gott leben zu können und mit dem Gesetzbuch alles regeln zu können. Wir haben eine Gesellschaft gebastelt, in der man glaubt, dass der Mensch alles vermag. Corona zeigt aber derzeit, dass das nicht so ist.“

Was beide Geistliche beunruhigt ist nicht nur der demografische Trend. Bei den Protestanten gab es 521 Bestattungen und 228 Taufen. Bei den Katholiken waren es sogar mehr Taufen (1380) als Beisetzungen (1334). Verantwortlich für den Rückgang sind vor allem die Austritte von Menschen, die sich also bewusst gegen die Kirche entscheiden. Bei den Katholiken wuchs diese Zahl um 25,5 Prozent auf 945, bei den Protestanten waren es 374 Austritte – mehr als ein Drittel des gesamten Rückgangs. Die Zahlen sind vom Stichtag Ende Dezember 2019, als noch niemand etwas von einer Corona-Pandemie geahnt hat.

Kirchen drohen weitere finanzielle Einbußen

Schwindende Mitgliederzahlen haben auch Folgen, und zwar in erster Linie auf das Kirchensteueraufkommen. Wer aus der Kirche austritt, tut das in der Regel, um genau diese Abgabe zu sparen. Denker warnt: „Wenn man nur das bezahlt, wovon man ganz konkret etwas hat, dann haben am Ende diejenigen das Problem, die nicht zahlen können.“ Zwar war das Kirchensteueraufkommen in den vergangenen Jahren gut, weil auch allgemein im Boom die Staatskasse viel eingenommen hat. Aber schon durch die Corona-Krise droht ein Einbruch bei den Einnahmen. „Wir werden das Niveau von 2019 frühestens wieder 2023 erreichen“, glaubt Denker. Dass die sinkende Zahl der Mitglieder durch wachsende Steuereinnahmen kompensiert wird, das wird aber kaum mehr wieder so sein.

Die evangelische Kirchengemeinde in Rheydt hat zuletzt bereits reagiert und stellt den Betrieb dreier Kindertagesstätten ein. „Wir werden kirchliche Angebote einschränken müssen“, ahnt Denker. Auch in der katholischen Kirche ist das nicht viel anders. „Wir haben bisher Gott sei Dank keine konkreten Auswirkungen, weil unser Bistum sehr sparsam gewesen ist“, sagt Hurtz. „Aber perspektivisch müssen wir Schwerpunktzentren bilden. Es wird nicht mehr alle kirchlichen Angebote überall geben.“

Die Kirchen sind in der Mitgliederfalle. Eigentlich bräuchten sie mehr Angebote, neue Angebote, kluge Alternativen, um Menschen in Gruppen zu erreichen, die der Kirche fern sind. Aber genau dafür braucht man natürlich auch ausreichend finanzielle Mittel. Die Corona-Krise hat die Kirchen zu neuen Formaten gezwungen, die auch gut angenommen wurden. „Es gibt viel Kreativität, aber die Frage ist, wie wir mit unseren Formen den Bedürfnissen von heute gerecht werden“, sagt Hurtz.

Die ganz große Strategie gibt es nicht. Es sind vielmehr viele kleine Veränderungen in den einzelnen Gemeinden, Kulturprojekte, die digitale Bibelstunde online, Gottesdienste im Livestream, mit der Kirche andere Menschen als bisher ­erreicht.