Pikrinsäure: Explosions-Alarm in Mönchengladbacher Apotheken
29 Apotheker finden den getrockneten und gefährlichen Stoff.
Mönchengladbach. Alarm bei Feuerwehr und Polizei in Mönchengladbach. Permanent rasten gestern Rettungswagen und Feuerwehr- und Polizeieinheiten mit Blaulicht und Martinshorn durch die Stadt. Bis zum späten Abend mussten die Experten zu 29 Säure-Einsätzen ausrücken.
Es geht um die so genannte Pikrinsäure, die in allen Apotheken im Chemielabor vorhanden ist. Denn Pikrinsäure wird als flüssiger Stoff zum Mikroskopieren benutzt, da er Blutzellen einfärben kann.
Allerdings muss sie unbedingt feucht gelagert werden. Trocknet sie aus, bilden sich Kristalle. "Die können dann schon bei geringster Erschütterung oder bei Kontakt mit Metall explodieren", warnt Dr. Michael Born im Auftrag der Bezirksregierung.
Unter den Apothekern, die die Feuerwehr alarmierten, ist auch Manfred Lünzner, Sprecher der Gladbacher Apotheker. "Ich habe bei mir im Labor nachgesehen, denn natürlich habe ich auch Pikrin in meinem Bestand", sagt er. "Tatsächlich hatten sich auch bei meiner Pikrinsäure schon Kristalle gebildet", so der Apotheker gegenüber der WZ. Sofort alarmierte er die Feuerwehr.
Wenig später rückten die Experten an. Die Apotheke wurde geräumt, Feuerwehr und Polizei nahmen mit Lünzner das Labor unter die Lupe. "Und es hatten sich Kristalle am Flaschenboden gebildet", so Polizeisprecher Jürgen Lützen. "Wir haben das Fläschchen mit der Säure daraufhin sicher gelagert und das Labor versiegelt", berichtet der Polizeisprecher weiter.
In Lürrip drohte das Pikrin zu explodieren
Dramatische Situation dann Donnerstagabend in der Mönchen-Apotheke an der Neusser Straße in Lürrip. Hier schüttelte eine Angestellte aus Unkenntnis die Flasche mit dem kristallisierten Pikrin. Polizei und Feuerwehr sperrten die Neusser Straße und sicherten die Flasche - niemand kam zu Schaden.
Nach Auskunft der Bezirksregierung ist die Pikrinsäure in diesem Zustand als Sprengstoff einzustufen und gefährlicher als TNT.
Ein Sprengstoff-Meister des Landeskriminalamtes wird sich jetzt mit der Feuerwehr in Verbindung setzen und dann alle 29 Apotheken aufsuchen, um vor Ort zu klären, ob die Prikrinsäure-Flaschen abtransportiert werden können oder noch vor der Apotheke gesprengt werden müssen. So war es am Mittwoch vor einem Berufskolleg in Kempen passiert.
Daher rief die gefährliche Säure gestern auch die Stadtverwaltung auf den Plan. Denn in den meisten Chemieräumen der Schulen gibt es ebenfalls diese Säure, die nicht verschluckt werden darf, ansonsten aber ungefährlich ist.
"Wir haben die Schulen aufgefordert, uns ihren Pikrinbestand zu melden", so Wolfgang Speen, Sprecher der Stadtverwaltung. "Ein Gymnasium, zwei Hauptschulen und eine Förderschule haben uns bis jetzt Pikrinvorkommen gemeldet - aber in flüssiger, nicht kristallisierter Form", so Speen.
Die Bezirksregierung rät dennoch, auf Pikrin ganz zu verzichten. Die Kristallisationsgefahr sei zu hoch. Verboten werde der Stoff jedoch nicht. Auch Lünzner hat am Donnerstag seine Apotheker-Kollegen gebeten, ihm ihre Bestände zu melden.
Die Bezirksegierung hat eine Anleitung für den Umgang mit Pikrinsäure veröffentlicht. Die WZ bietet das >>> Dokument zum Download