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Rheydter Spätkirmes: Kreischen, johlen, Zuckerwatte

Noch bis Dienstag gibt’s in Rheydt Achterbahnen, Popcorn und Co. zu erleben. Unsere Reporterin hat eine Gruppe begleitet.

Mönchengladbach. Der Mann weiß, wie man Frauen glücklich macht. Zumindest auf der Kirmes. Nur scheinbar rücksichtslos steuert Paul Kohnen die Töchter seiner Freunde, Joanna (13) und Louisa (10) durch die ersten Meter der Gracht.

Auf denen duftet es bereits verführerisch: Erst nach gebrannten Mandeln und dann nach Backfisch. Aber der Marktmeister weiß, was seine kleinen Freundinnen von einem Kirmes-Besuch erwarten: Action pur. Also rauf auf den Commander. - Erst noch den Schmuck ablegen, Paul bekommt Ketten und Ohrringe zu treuen Händen.

Rein in die Gondel. Einer von diesen coolen Kirmes-Jungs kommt lässig über die schon rotierende Scheibe gelaufen, kassiert die Marken, stellt die Halterungen fest, die einen während der wilden Fahrt im Sitz fixieren.

Anfangs schaukeln die Gondeln noch im Rhythmus des schmissigen Schlagers, bedeuten sanft die Richtungen, in die man nur kurze Zeit später heftig geschleudert, rasant gedreht und gewendet wird, so dass die langen blonden Haare als steile Fahnen durch die Luft wehen.

"Cool", sagen beide Mädchen anschließend zu Paul. Sie gehörten nicht zu denen, die wild gekreischt haben, während der Fahrt, die drei Euro kostet. "Was trinken", fragt Paul mit einem forschenden Blick in die Gesichter. Was dankbar angenommen wird, hier kann man in Ruhe den Schmuck wieder anlegen. Jetzt geht es zum Essen.

Bei Bruno Dreßen auf dem Marktplatz herrscht bayerisches Flair. Hier gibt es zur Blasmusik das Bier auch im halben Liter zu drei Euro, serviert von der Kellnerin im Dirndl mit dem nötigen Holz vor der Hütten. Bevorzugt werden jedoch die landesüblichen 0,2 Liter Gläser. Seine Holzfällersteaks sind legendär, der Samurai-Spieß neu im Programm. Als er an einem Gestell hängend serviert wird, durchzuckt einen ein Gedanke an Loriot, das Jodeldiplom: "Dudödeldu", und zwar mindestens 30 Zentimeter - garantiert gemessen, nicht nur gefühlt.

Mit fünf Euro pro Portion liegen die Preise deutlich unter dem auf dem zeitgleich beginnenden Oktoberfest in München. Neun Euro fürs Händel, wird von dort gemeldet. "Hähnchen gibt in NRW auf keiner Kirmes. Die laufen hier nicht", weiß Sven Tusch, Geschäftsführer des Schaustellerverbandes. In seinem Imbiss gibt es Backfisch und Bratwürste. "Das ist hier klassisch."

Joanna und Louisa wollen in die Gärten der Maja, jenes Spiegellabyrinth. Auch die Schlange davor schreckt sie nicht. "Es lohnt sich", versichert Joanna. Schon nach fünf Minuten sind sie wieder raus. Sie wollen schießen: Louisa müht sich, den Hahn nach zu spannen, Paul- gelernter Jäger - unterstützt sie. So bekommt jede von ihnen eine schöne rote Stoffrose.

An Losen sind sie nicht interessiert, auch wenn Louisa zu gern das Quad gewinnen würde, dass zum Kaufen lockt. "Ob überhaupt das Los dafür dabei ist?" Weiter geht es zum Schmuckstand, wo sich beide Mädels etwas aussuchen dürfen. Eine echte Qual, bei der Auswahl, die mehr Zeit in Anspruch nimmt als jede Karussell Fahrt.

"Paul, was ist der Ersatz für den fliegenden Teppich?" fragen sie. Weil sie inmitten der Kirmes wohnen, kennen sie alles, was je geboten wurde. "Da kommen wir gleich hin", führt er die beiden an das Ende der Gracht. "Turbo Force", ein zweiarmiger Rotor, an dessen Ende Gondeln die Insassen 40 Meter hoch über Rheydt katapultieren.

Nur kurz sucht Louisa das Haus ihrer Freundin, da rast sie auch schon im Affentempo auf den Boden zu, die Gondel überschlägt sich außerdem mehrmals nach hinten, und wieder nach vorne. Der Magen hängt mal zwischen den Kniekehlen, mal zwischen den Ohren. "Hammer", ihr Urteil beim Aussteigen. "So war das anfangs beim fliegenden Teppich auch", sagt Louisa nach einem Augenblick der Besinnung. "Nach drei Mal weiß man was passiert."

Paul forscht wieder in den Gesichtern. "Wasser?" Dann geht es weiter, denn Paul weiß auch, an welchem Stand es das beste Popcorn und die besten gebrannten Mandeln gibt. "Zuckerwatte", lautet hier die Bitte. Die prickelt beim Abbeißen immer so auf den Lippen und anschließend klebt das ganze Gesicht.

Paul hat es plötzlich eilig. "Ich will noch aufs Moped." Aber natürlich gibt es zuvor noch Crêpes, vom Master of Pancakes, der die hauchdünnen Teigfladen mit geübten Griffen bändigt. Und Apfel-Pfannekuchen. Verfeinert mit Calvados. "Das Take Off sehen wir uns morgen an", vertröstet Paul die kleinen Damen. Autoscooter und Dschungelexpress haben bis dahin auch noch Zeit!