Mönchengladbach Schülerin aus Mönchengladbach stirbt auf Klassenfahrt – Ermittlungen gegen Lehrer

Mönchengladbach. · Eine 13-jährige Schülerin starb im Juni auf einer Klassenfahrt in London. Jetzt wird gegen die Lehrkräfte wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

Während einer Klassenfahrt in London ist eine Schülerin gestorben. Nun wird gegen vier Aufsichtspersonen ermittelt.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Knapp vier Monate nach dem Tod einer 13-jährigen Schülerin auf einer Klassenfahrt ermittelt die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach gegen vier Beschuldigte. Gegen die „Aufsichtspersonen“ besteht der Tatverdacht der fahrlässigen Tötung, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft mitteilte.

Die vier Beschuldigten seien als Aufsichtspersonen bei der Fahrt nach London dabei gewesen. Nach Schilderungen von Mitschülern sollen Lehrer trotz wiederholter Hinweise, dass es dem zuckerkranken Mädchen gesundheitlich schlecht gehe, nicht nach der 13-Jährigen geschaut haben. Ein Anwalt des Vaters hatte Anzeige erstattet.

Schüler und Lehrer seien vernommen worden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Jan Steils. Mitschüler hatten laut früheren Angaben des Anwalts des Vaters, Klaus Voßmeyer, ein dramatisches Geschehen geschildert. Das sei Grundlage für die Anzeige des Vaters bei der Staatsanwaltschaft gewesen: Demnach soll sich die 13-Jährige bereits am Ankunftstag nach dem Essen immer wieder übergeben haben.

Die Kinder hätten vergeblich versucht, einen Lehrer ausfindig zu machen. Auch nach Hinweisen der Kinder am nächsten Morgen habe kein Lehrer nach der Schülerin geschaut. Als das Kind bei der Abreise am nächsten Tag zu schwach war, sich aufzurichten, wurde nach früheren Angaben des Anwalts ein Rettungswagen gerufen. Am Tag darauf, dem 30. Juni, starb das Mädchen nach Angaben des Anwalts im Krankenhaus.

Die aus England angeforderten medizinischen Unterlagen würden jetzt ausgewertet, sagte Steils. Dann werde entschieden, ob „weitere Maßnahmen“ notwendig seien. Möglicherweise könne der bisher noch nicht befragte Vater noch etwas zur Erkrankung seiner Tochter sagen.

Bislang sei nicht geklärt, ob die Diabetes-Erkrankung der Schülerin Ursache oder Mitursache für den Tod der Schülerin gewesen sei, teilte die Bezirksregierung Düsseldorf als Schulaufsicht mit: „Die vier Lehrer sind im Dienst.“ Die Behörde werde das Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten. Die Staatsanwaltschaft machte keine Angaben dazu, ob die beschuldigten Aufsichtspersonen Lehrer sind.

Die Schulleitung der Theo-Hespers-Gesamtschule weist die Anschuldigungen gegen die Lehrkräfte zurück. „Die dargestellten vermeintlichen Fakten entsprechen nicht unserem Kenntnisstand“, schreibt Schulleiterin Raphaela Hahn auf der Homepage. „Die KollegInnen, die die Schülerinnen und Schüler nach London begleitet haben, sind höchst gewissenhaft und zuverlässig und ich habe als Schulleiterin das vollste Vertrauen in sie“, heißt es in der Stellungnahme.

Michael Schulte, Geschäftsführer der Gewerkschaft Erziehung und Wissen (GEW) NRW, hat aus den Medien von dem Vorfall gehört. „Das darf doch nicht wahr sein“, sei Schultes erster Gedanke gewesen. „Es darf nicht wahr sein, dass das wirklich so abgelaufen ist. Sollte es so gewesen sein, stößt das bei mir auf schieres Unverständnis“, sagt Schulte. Ein chronisch krankes Kind mit auf eine Klassenfahrt zu nehmen, sei für Lehrkräfte „keine unzumutbare Situation“. „Man spricht mit den Eltern und dem Kind über Verhaltensregeln im Notfall“, sagt Schulte.

Medizinische Unterstützung keine Pflichtaufgabe von Lehrkräften

Dennoch ist die Unterstützung bei der Einnahme von Medikamenten keine dienstrechtliche Pflichtaufgabe von Lehrkräften. Diese werden darin nicht ausgebildet. „Die Verpflichtung zu Erste-Hilfe-Maßnahmen bleibt davon unberührt“, heißt es in einer Handreichung des NRW-Schulministeriums.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) fordert schon länger, in Schulen Gesundheitsfachkräfte einzusetzen. „Es werden Schulgesundheitsfachkräfte gebraucht. Diese können präventiv arbeiten und Aufgaben wie die Medikamentenabgabe übernehmen, die keinesfalls eine Aufgabe der Lehrkräfte sein darf“, betont Alexander Spelsberg vom Verband Bildung und Erziehung.

Regeln zur Aufsichtspflicht gibt es in der bereinigten amtlichen Sammlung der Schulvorschriften (BASS) NRW. „Art und Umfang der Aufsicht haben sich nach den jeweiligen Gegegbenheiten zu richten; mögliche Gefährdungen sowie Alter, Entwicklungsstand und Ausprägung des Verantwortungsbewusstseins der Schülerinnen und Schüler; [...] Behinderungen oder chronische Erkrankungen [...] sind zu berücksichtigen.“ Laut Spelsberg müssen die Schüler also nicht dauerhaft unter Beobachtung stehen, sollen sich aber beaufsichtigt wissen. „Gerade bei Klassenfahrten ist es wichtig, dass Betreuungspersonen jederzeit ansprechbar sind.“