Sexuelle Übergriffe: Opfer-Hilfe benötigt mehr Unterstützung

Die Frauenberatungsstelle Gladbach ist seit Jahren unterfinanziert.

Foto: Markus Boehm

Etwa 1000 Gespräche über sexuelle Übergriffe, Schläge, Demütigungen und Unterdrückung werden in der Frauenberatungsstelle Mönchengladbach pro Jahr geführt. Daran werden die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln nicht viel ändern. „Wir beschäftigen uns mit dem Thema sexualisierte Gewalt, seitdem es uns gibt“, sagt Beraterin Doris Ingenhag, Köln sei kein neues Phänomen und erst recht kein importiertes. „Wir wissen schon lange, dass die meisten Übergriffe und Vergewaltigungen keineswegs von fremden Tätern im Dunklen erfolgen, sondern zu Hause, im vertrauten familiären und privaten Umfeld“, sagt Doris Ingenhag.

Das passiere auch in Mönchengladbach oft, wie die Fallzahlen in der Beratungsstelle zeigen. Und dies sind nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Nachfrage ist groß. Gäbe es mehr Beraterinnen, könnte noch mehr misshandelten Frauen geholfen werden. Aber die Kapazitätsgrenzen sind mehr als erreicht.

„Früher waren wir immer stolz darauf, dass wir so schnell Hilfe anbieten können. Heute müssen bei uns Frauen auch schon einmal vier Wochen auf einen Termin warten“, sagt Beraterin Ruth Pütmann. In der Beratungsstelle Mönchengladbach teilen sich drei Frauen zwei Personalstellen. Für die Opferhilfe gibt es zwar finanzielle Unterstützung vom Land und von der Stadt, aber die Finanzierung ist nur zu 85 Prozent gedeckt. „Den Rest müssen wir über Spenden hereinholen“, berichtet Doris Ingenhag. Früher habe die Frauenberatungsstelle noch einen erklecklichen Betrag durch gespendete Bußgelder erhalten. Aber auch dies sei nun weitestgehend weggebrochen.

90 Prozent der Bußgelder werden heute nicht mehr für einen gemeinnützigen Zweck ausgegeben, sondern fließen in die öffentliche Kasse. Beraterin Silvia Henke findet diese Situation paradox: „Unsere Hilfe ist ausdrücklich erwünscht und auch notwendig, und trotzdem sind wir nicht ausreichend abgesichert.“ Die Beratung und Unterstützung in der Beratungsstelle ist nicht nur für die zum Teil schwer traumatisierten Frauen äußerst wichtig. Die Hilfe ist auch nachhaltig. Denn Kinder, die mit unverarbeiteten Gewalterfahrungen aufwachsen, werden später oft selber zu Opfern oder Tätern. Sexistische Übergriffe stünden nicht in Verbindung mit Herkunft und Religion, sagt Silvia Henke.

Die drei Beraterinnen sind sich einig, dass die Hilfen für die gedemütigten und misshandelten Frauen, die oft jahrelang an psychischen Erkrankungen leiden, eigentlich ausgebaut werden müssten. Um wenigstens den Status quo finanzieren zu können, planen sie jetzt die Aktion „Schenken Sie einen Quadratmeter Mut“. Am 5. April, 19 Uhr, wird es eine Informationsveranstaltung zu dieser Aktion in der Frauenberatungsstelle an der Kaiserstraße 20 geben.