Tagebau Garzweiler gefährdet historisches Erbe
Mit Sorge blicken die Experten der Stadt auf Schäden für die Natur, aber auch beispielsweise für Gladbachs Pfahlbauten wie das Schloss Wickrath.
Mönchengladbach. Ein bisschen gespenstisch ist es schon. Wenn Gartentore nicht mehr schließen oder der Regen plötzlich an der anderen Seite des Hauses aus der Rinne fließt. Letzteres beobachtet beispielsweise die Familie Giesen aus Wanlo an ihrem Gartenhaus. „Die Tür des Häuschens fällt jetzt auch von selbst zu“, sagt Reinhold Giesen, Grünen-Politiker und Mitglied der Wanloer Dorfinteressengemeinschaft.
Möglich, dass das eine Folge der Grundwasserabsenkung ist, die mit dem Braunkohle-Tagebau einhergeht, der in absehbarer Zeit den Ortsrand von Wanlo erreichen wird. „Es ist aber nur eine Kleinigkeit“, sagt er. „An dem Gartenhaus ist sonst nichts dran.“
Es steht in der Niederung der Niers, die leicht absackt, seit das Grundwasser hier nicht mehr wie früher direkt unter der Erdoberfläche zu finden ist. „Man musste nur einen Spatenstich tief graben und das Loch füllte sich sofort mit Wasser“, beschreibt Giesen die Böden in den Flußauen, die damals nicht beackert, sondern allenfalls für Viehweiden genutzt werden konnten.
Weil für den Tagebau der Grundwasserspiegel gesenkt wird, also Wasser abgepumpt wird, trocknen die Torfböden in den Auen. Sie schrumpfen. Häuser, die darauf stehen, senken sich. „Wenn man Glück hat, komplett, ohne dass Risse entstehen“, beschreibt Barbara Weinthal, Diplom-Geografin im Dienste der Stadt Mönchengladbach und dort zuständig für Braunkohleangelegenheiten. „Auf diese Gefahren haben wir seitens der Stadt schon vor Jahren hingewiesen“, sagt Weinthal.
Ihre Vorgänger sahen zu, wie die Niersquelle in den 70er Jahren versiegte. „Das war abzusehen.“ Sie ist davon überzeugt, dass der permanente Protest, den die Stadt gegen die Grundwasserabsenkung vorgebracht hat, letztendlich dazu führte, dass der Betreiber des Braunkohletagebaus in den 90er Jahren anfing, in den Auenbereichen Wasser einzuspeisen, das zuvor abgepumpt wurde, um die Braunkohle abbauen zu können.
Ob das genügt, um die 2000 bis 3000 Häuser im Stadtgebiet zu retten, die auf Holzpfählen stehen, ist fraglich. Wenn die Pfähle nicht mehr im Sumpf stehen, werden sie von einem Pilz befallen, das Holz fault, das Haus ist nicht mehr zu retten. „An der Mülforter Straße musste deswegen bereits ein schönes Gründerzeithaus abgerissen werden“, berichtet Weinthal.
Auch das Wickrather Schloss gründet auf solchen Pfählen oder die Niersmühle in Wickrathberg. Ob das Einspeisen des zuvor abgepumpten Wassers dagegen nachhaltig hilft, ist fraglich. Denn der Fäulnispilz hält bereits Einzug, wenn die Holzpfähle nur kurzzeitig trocken werden. Die Hälfte des sogenannten Sümpfungswassers wird nicht wieder in den Boden eingebracht. Es dient als Kühlwasser für die Kraftwerke oder zur Verminderung von Staubemissionen an der Abbaukante (Staubduschen).
Ob damit die dritte Folge der Grundwasserabsenkung verhindert wird, ist fraglich: Sie ergibt sich aus natürlichen Bruchflächen im Untergrund. Dort wo sich zwei Erdschollen vertikal aneinander entlang bewegen, dichtet sich diese tektonische Verwerfungs-Fläche im Laufe der Jahrmillionen ab und wirkt wie eine wasserdichte Spundwand. Rechts und links von ihr schrumpft das Erdreich bei einer Grundwasserabsenkung unterschiedlich stark.
Das ist der Fall beim Rheindahlener Sprung. Diese Verwerfung zieht sich durch Rheindahlen, Hockstein und Odenkirchen (zum Beispiel im Bereich der Talstraße). „Das sind nur wenige Millimeter im Jahr, aber das reicht, um Bauwerke nachhaltig zu schädigen“, sagt Olaf Holtrup, Diplom-Geologe der Stadt. „Abwässerkanäle und Leitungen brechen.“ So sind beispielsweise in der Talstraße Gasleitungen gefährdet und müssen in Spezialausführung verlegt werden.
„In Straßen entstehen Absätze“, sagt Holtrup. Die Decken müssen alle paar Jahre erneuert werden. „Und in einigen Straßen im Stadtgebiet gibt es Baulücken. Da standen mal Häuser, die mussten deswegen abgerissen werden.“ Per Gesetz darf RWE Power der Stadt untersagen, diese Flächen neu zu bebauen. „So zum Beispiel im Reststrauch.“